: Maulkorb für zwei Rechtsextremisten?
■ Karlsruhe soll Grundrechte entziehen
Bonn (AFP/taz) – Den beiden Rechtsextremisten-Führern Thomas Dienel und Heinz Reisz sollen auf Antrag der Bundesregierung nach Artikel 18 des Grundgesetzes wesentliche politische Grundrechte entzogen werden. Das Bundeskabinett beschloß gestern, ein entsprechendes Verfahren beim Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe einzuleiten.
Den beiden Neonazis soll nach Wunsch des Kabinetts verboten werden, ihre politische Meinung öffentlich zu äußern und an politischen Versammlungen teilzunehmen. Außerdem soll ihnen für die Dauer der Verwirkung der Grundrechte die Wählbarkeit aberkannt werden.
Die Bundesregierung reagiert damit auf die massive und aggressive Propagierung des Antisemitismus und Rassismus der beiden Neonazis. Dienel, der gestern im thüringischen Rudolstadt wegen „Volksverhetzung“ zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt wurde, agitiert seit Jahren gegen Juden und Ausländer und behauptet, in Auschwitz seien keine Menschen vergast worden. In „menschenverachtender Form“, so Bundesinnenminister Seiters, propagiere Dienel Gewaltanwendung bis hin zur „physischen Vernichtung“. Reisz hat mehrfach die Juden als „Unglück Europas“ beschimpft und zur Jagd auf Ausländer aufgerufen. In der Begründung des Bundeskabinetts heißt es weiter, „die kontinuierlichen, massiven und von außergewöhnlichem Fanatismus geprägten Aktivitäten“ ließen nicht erwarten, daß er den Mißbrauch der Grundrechte in Zukunft unterlasse.
Sollte der Antrag erfolgreich sein, wäre es das erste Mal seit Bestehen der Bundesrepublik, daß Personen Grundreche aberkannt würden. Zwar gab es sowohl Anfang 1952 als auch 1969 entsprechende Verfahren – gegen den zweiten Vorsitzenden der Sozialistischen Reichspartei bzw. gegen den DVU-Chef Gerhard Frey. Diese verliefen aber jeweils nach mehreren Jahren im Sande. Seite 4
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen