: Über den Text gegangen
■ Menschenfeinde überzeugten mit Leonce und Lena auf Kampnagel nur phasenweise
überzeugten mit Leonce und Lena auf Kampnagel nur phasenweise
Eine Handvoll Schnee fällt. Prinz Leonce (Matthias Paul) kauert mißmutig und frierend am Boden: „Warum kann ich mir nicht wichtig werden und der armen Puppe einen Frack anziehen und einen Regenschirm in die Hand geben, daß sie sehr rechtlich und sehr nützlich und sehr moralisch würde?“ Ihn ödet an, was die „wichtigen“ Leute treiben. Ein Häufchen Elend, dieser Leonce. Ganz anders Valerio, ein lockeres Liedchen auf den Lippen, die Flasche in der Hand. Er besitzt „ungeheure Fertigkeiten im Nichtstun“. Souverän spielt Christoph Finger den Unbekümmerten mit närrischem Witz.
Die nächste Szene zeigt die Wichtigen dieser Welt: König Peter vom Reiche Popo mit dem Hofprediger, dem Schulmeister und dem Präsidenten, der von der Schauspielhaus-Leihgabe Ulrich Bähnk sehr genau in Szene gesetzt wird. War der Einstieg „nur“ dicht und präzise, so entfaltet sich in dieser Szene die Stärke der Inszenierung. König Peter, den Oliver Moessner herrlich kindisch interpretiert, wird als dickes Baby mit schwer drückender Krone gezeigt. Von seinen Hofschranzen wird er mit Gesang und banalen Antworten gekonnt bei Laune gehalten. Eine gewitzte, leichtfüßige Karikatur der Macht, mit Spiellust dargestellt.
Doch schon der energiegeladene Auftritt von Rosetta (Andrea Badey) läuft Gefahr, aufgesetzt zu wirken. Hitzig springt sie den geliebten Leonce an, doch die mehrmalige Wiederholung dieser Lustattacken verkommt zur sportiven Nummer. Mit Leonce' Flucht vor ihr und Prinzessin Lena, mit der ihn der Vater verheiraten will, verliert das Stück an Dichte. Auch die Mondscheinszene nach dem liebeentfachenden Zufallstreffen im italienischen Exil, in das auch Lena geflohen ist, bleibt zu blaß. Am Hof wartet man auf die Flüchtigen, und tatsächlich kommen sie zurück. In der Schlußszene verselbstständigen sich die Späße, die Spieler gehen über den Text hinweg, statt ihn hervorzutreiben.
Die Menschenfeinde wollten „lustvolles, skrupelloses, poetisches Theater“ entfesseln, doch leider erreichten sie nur phasenweise das selbstgesetzte Niveau. Elke Bergen
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