Headbanger's Ecstasy Von Kirsten Niemann

Klasse sahen sie aus, meine beiden Kollegen, als ich mit ihnen zur Deutschlandhalle zog. Man sah ihnen wirklich nicht an, daß sie die 30 schon hinter sich gelassen hatten. Ihre Haare fielen lang und offen über die Schulter, zu schwarzen Jeans und Stiefeln mit Riemen trugen sie die obligatorische schwarze Lederjacke. Die Freude auf das bevorstehende Metallica-Konzert und die Schadenfreude gegenüber all denen, die keine Karte mehr bekommen hatten, stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Schon in der U-Bahn wurde beschlossen, am Merchandising-Stand schwer zuzuschlagen.

Seit Monaten war der Gig ausverkauft, und die riesige Menschentraube vor der Halle ließ Schlimmes befürchten. „Hätte man mir die Karte nicht spendiert, wäre ich jetzt bestimmt nicht hier. Metallica sind mit zu teuer, zu groß und viel zu berühmt“, war mein dünkelhafter Standpunkt gewesen. Draußen noch fühlte ich mich, die ich für gewöhnlich eher überschaubare Konzerte frequentiere, angesichts der Tausenden von Metal-Fans fremd. Ich hatte nicht nur mit Abstand die kürzesten Haare unter den Anwesenden, sondern auch puren Respekt vor der Masse. Von allen Seiten umgaben mich jedoch glückliche Gesichter in Lederjacken mit Monsteraufnähern. Lange Mähnen, Bärte und Tattoos bestimmten die Szene. Und über allem schwebte eine gigantische Bierfahne.

Bald schon stellte sich heraus, daß alle Befürchtungen, die das wüste Outfit der Metal-Gemeinde bei mir hervorrief, völlig unbegründet waren. Metals sind die friedlichsten und höflichsten Rockmusikfans überhaupt. Ohne Schubsen, Drängeln und ohne daß auch nur ein einziges böses Wort gefallen wäre, gelangten Zigtausende Freaks innerhalb von wenigen Minuten in die Vorhalle. Meine Begleiter marschierten zielstrebig auf den nächsten Verkaufsstand zu, um sich mit der ersten Trophäe, einer Metallica- Kappe, auszurüsten. „Für meinen Sohn ist mir nichts zu teuer“, log Kollege P. und bezahlte 45 Mark. Dem Kollegen K. war dagegen nichts zu kitschig. „Schade, daß der Schriftzug nicht glänzt“, moserte er. „Wir müssen unbedingt ganz nach vorne“, schlug P. danach vor. „Nein, nach oben, da kann man bestimmt besser sehen“, setzte K. sich durch.

Es war voll, laut, und vom ersten Ton an raste die Menge vor Begeisterung – es war phantastisch. Vor allem gab es viel zu gucken. Die Musiker trugen Hosen, die so eng waren, daß für die eigene Vorstellung nicht mehr viel übrig war. Rechts und links von mir tobten sich ein paar ekstatische Headbanger aus. Wie auf ein verabredetes Zeichen hin unterbrachen sie völlig synchron ihren schüttelnden Bewegungsfluß nur, um ihre zu Teufelsköpfen geformten Hände in Richtung Bühne zu strecken.

Gut gelaunt und von Grund auf sympathisch brachten Metallica über zweieinhalb Stunden erstklassige Rockmusik, und wer sich wie ein nölender Kultursnob mit verschränkten Armen im Hintergrund herumdrückte, hatte selbst schuld. Nachher machte Kollege P. noch einen präventiven Verbesserungsvorschlag: „Ich sage euch, wir hätten doch nach unten gehen sollen. Bei Motörhead gehen wir aber ganz nach vorne!“