Feindbild-Pflege-betr.: "Öko-Rassismus", Okolumne von Jutta Ditfurth, taz vom 5.12.92

betr.: „Öko-Rassismus“, Ökolumne von Jutta Ditfurth,

taz vom 5.12.92

Jutta Ditfurth betreibt primitive Feinbilder-Pflege und üble Diffamierung, die mit kritischem Journalismus nicht das geringste zu tun hat, wenn sie mir Worte in den Mund legt, die ich am 25.10.91 bei einem Seminar über Bevölkerungsfragen als Zitat aus dem Jahre 1965(!) verwendet habe! Sie weiß offenbar nicht, daß ich auf dem erwähnten Bevölkerungsseminar die (oft veröffentlichte) Gegenrede zu Peter Gauweiler gehalten habe. Sie unterschlägt ebenso meine in den letzten Wochen immer wiederholten öffentlichen Anrufe, die da lauten: „Wir sagen nein zu Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhaß, weil die Erde zu klein geworden ist, um sich in Wohlstandsparadiesen abzuschotten.“

Nirgendwo als bei den neuen Völkerwanderungen auf dieser Erde wird deutlicher, wie sehr die sozialen Fragen mit den ökologischen Problemen vernetzt sind! Hunger und Umwelt: Beide kennen keine Grenzen! [...] Hubert Weinzierl, BUND,

Wiesenfelden

[...] Grundsätzlich berechtigt ist die Kritik Ditfurths an der Apokalyptik von Gruhl & Co. dort, wo diese sich als Exekutoren eines ökologisch begründeten Anti-Humanismus aufspielen. Ebenso fragwürdig ist jedoch die im utopischen Denken, auch der „ökologischen“ Linken, verwurzelte Ignoranz gegenüber der immer deutlicher sichtbar werdenden Tatsache, daß die heute lebende Menschheit – in geographisch unterschiedlicher Schuldverteilung – zusammen mit dem materiellen Unterbau der planetaren Biosphäre, den ideellen Überbau der liebgewonnenen Humanismen verheizt.

Gerade das von Ditfurth genannte Beispiel einer „ökofaschistischen“ Migrationspolitik belegt, was Carl Amery schon vor Jahren in seiner „9.These zum ökologischen Materialismus“ deutlich machte: „Nichtbeachtung (des ökologisch Not-Wendigen, MaR) hat bisher immer zu unmenschlicher Praxis gegen immer größere Gruppen von menschlichem ,Abschaum‘ geführt.“

PolitikerInnen, die – ökozynisch – Amerys düstere Prognose mit der Vorstellung von MigrantInnen als eines „Verschmutzungsfaktors“ ausfüllen, verschleiern damit gleich auch noch humane und ökologische Politikalternativen, die, ironischerweise, allzuoft aus eben jener „rosagrünen“ Realpolitik zu bestehen scheinen, von der sich die „wilde Jutta“ immer wieder vehement abgrenzt. Martin Rath,

Langenfeld/Rheinland

[...] Mich stört, daß Jutta, wie viele andere auch, der Ansicht zu sein scheint, daß der Mensch kaum noch Bindungen zur Natur, also seinem Ursprung, hat. Natürlich ist er ein soziales Wesen mit Fähigkeiten, die in ihrer Bündelung einzigartig sind. Daneben ist er aber eben doch auch ein Teil der Natur und hat beileibe nicht alle Beziehungen zu ihr verloren. [...]

Weitere Kritik betrifft die Überbevölkerung. Selbst Jutta dürfte klar sein, daß es schlicht zu viele Menschen auf der Erde gibt, jedenfalls mehr, als ökologisch vertretbar ist, im Norden wie im Süden gleichermaßen. Daß die bislang betriebene Bevölkerungspolitik falsch ist, stimmt ja. Wir hier in den gemäßigten Breiten haben schon längst unsere natürliche Umwelt zerstört und eine der großen Bevölkerung angepaßte Natur geschaffen. In anderen Breiten ist dies so nicht möglich. Dort sind die Folgen dann Verödung, Abholzung und Austrocknungen mit der verständlichen Wirkung von Wanderungsbewegungen, wie sie übrigens oft genug in Europa stattgefunden haben.

Was die Menschheit braucht, wäre eine globale Politik des solidarischen Teilens, verbunden mit einer weltweiten Bevölkerungspolitik, die dafür sorgt, daß die jetzt lebenden Menschen ihr Leben human führen können, egal wo sie leben, und die es schafft, die Populationskurve massiv abzuschwächen. Das bedeutet letztlich für Europa, hier wesentlich mehr Menschen aufzunehmen als bislang, denn dank des „sozialen Wesens“ (Zitat Jutta) des Menschen, der bestehenden Infrastruktur in den Ländern und der hiesigen Umwelt mit ihren gemäßigten Bedingungen, sollte es machbar sein. Jörg Wilhelm, Dipl.Soz.päd.,

Wiesbaden

[...] Wenn zunehmend die „Bevölkerungsexplosion“ als Problem benannt wird, so verschließen zwei Kreise die Augen: einige Linke, weil sie das Thema an die Schuld bzw. Mitschuld des industrialisierten Nordens an der Lage des Südens koppeln, und es so nur unter dem (soweit richtigen) Gesichtspunkt des offenbar heuchlerischen Nordens sehen; die katholische Kirche wegen ihres dogmatisierten Verhütungsverbots. Wirklich „globales Denken“ würde die offene Frage erkennen, inwieweit weltwirtschaftliche Möglichkeiten für die Hunger- usw.-Probleme übervölkerter Staaten aussichtsreich und schnell genug wären, oder ob – gewaltfreie! – Kampagnen zur Begrenzung der Nachkommen eben auch notwendig sind. Armutsflüchtlingen zu helfen ist auch nur Erste Hilfe, keine Lösung der Fluchtursachen. [...] Hermann Benz,

Villingen-Schwenningen

[...] Daß Jutta Ditfurth Rudolf Steiner „den anthroposophischen Chefideologen“ nennt, ist demagogisch, wenngleich zugestanden werden muß, daß er von manchen sogenannten Anthroposophen dazu mißbraucht wird. Ich kenne keinen Menschen, der so sehr ein eigenständiges Denken praktiziert und von seinen Lesern und Zuhörern gefordert hat. Die von ihm zitierten aus dem Zusammenhang gerissenen Worte über Unterschiede der Rassen – ausgedrückt in der damaligen theosophischen Terminologie zum Beginn des Jahrhunderts – entstellen völlig das Anliegen dieses für eine gleichberechtigte Menschheit sich einsetzenden Zukunftsdenkers. Ansgar Liebhart, Stuttgart

Wenn jemand zu dem Schluß kommt, um die Ökologie gesund zu erhalten, müßte Deutschlands Bevölkerung entweder schrumpfen, oder sie müßte ihren Lebensstandard erheblich senken – dann ist es traurig, daß die Botschaft „bescheidener leben!“ nicht in die Medien gelangt. Statt dessen macht eine Bemerkung die Runde, aus der man dann Rassismus konstruiert. Frau Ditfurth, die bei dem Seminar nicht anwesend war, sollte sich hüten, aus Unkenntnis Menschen zu diffamieren. Gunhild Ronnefeldt, Sonthofen

Einen taz-Leser muß es gruseln, wenn er liest, was der „anthroposophische Chefideologe Rudolf Steiner“ für ein Rassist ist – und jeder andere Antroposoph selbstredend mit ihm. Jutta Ditfurth zitiert natürlich auch, wie so mancher andere vor ihr, der mittels Zitat Anschauungen zur Unkenntlichkeit entstellt oder ins Gegenteil verkehrt hat. [...]

Wieso lernen in südafrikanischen Waldorf-Schulen schwarze und weiße Kinder gemeinsam? Wieso gibt es heilpädagogische Heime für schwarze und weiße Behinderte? Wieso, wieso, wieso? Gudrun Becker, Weimar