: Die Sachsen waren schneller
■ Besonderer Kündigungsschutz für Gewerbetreibende im Osten läuft zum Januar aus / Die Gewerbemieteninitiative des Senats ist vorerst gescheitert / Bürgerinitiative erfolgreich
Prenzlauer Berg. Die Buchdruckerei Ebert in der Prenzelberger Raumerstraße existiert seit 1924. Nun muß sie schließen, dem Inhaber blieben die Kunden weg. Daß er nicht, wie im Vertrag vorgesehen, die Kündigungsfrist einhalten mußte, sondern einen Nachmieter stellen kann, verdankt Ebert eigenen Angaben zufolge dem Prenzelberger Verein „Zusammenhalt“. Mit dessen Hilfe hatte er noch im letzten Jahr einen Fünfjahresvertrag von der Wohnungsbaugesellschaft erhalten.
„Die Bewahrung und Entwicklung der historisch gewachsenen Strukturen im Prenzlauer Berg“, das ist das erklärte Ziel des Vereines, dem sich mittlerweile fast 200 Gewerbetreibende angeschlossen haben. Daß man einiges erreicht habe, dessen ist sich Udo Pfaffenberger, Vorsitzender und Inhaber einer kleinen Papeterie in der Dimitroffstraße, sicher. „Mittlerweile akzeptiert uns die Wohnungsbaugesellschaft als legitimen Verhandlungspartner.“ Das war nicht immer so. Nach der Währungsunion mußten alle Gewerbetreibenden mit den Rechtsnachfolgern der Kommunalen Wohnungsverwaltungen (KWV), den städtischen Wohnungsbaugesellschaften, neue Verträge abzuschließen. Doch der Einstieg in die Marktwirtschaft erwies sich als äußerst schwierig. Auf zwei Jahre befristete Verträge waren ebenso die Regel wie ein Schulterzucken der Banken bei Kreditanträgen. Erst nachdem sich die Betroffenen im vergangenen Februar zusammengeschlossen hatten, kam Bewegung ins Geschäft. „Bei bestehenden Verträgen haben wir zumeist Nachbesserungen erreicht“, sagt Pfaffenberger, „und wer jetzt erst mit der Wohnungsbaugesellschaft verhandelt, bekommt von vorneherein einen Fünfjahresvertrag.“ Der Betrieb muß aber schon zu DDR-Zeiten bestanden haben. Bei Neuabschlüssen gilt das Gesetz des freien Marktes. Und der gibt in der Schönhauser Allee schon mal 70 Mark den Quadratmeter her. „Zu den Neumietern“, räumt Udo Pfaffenberger ein, „haben wir so gut wie keine Kontakte.“ Wichtig sei jedoch, daß man eine Umstrukturierung der alten Gewerbestruktur bisher verhindert habe.
Diese Struktur ist nun allerdings in Gefahr. Zum 31. Dezember läuft der besondere Kündigungsschutz für Gewerbebetriebe in den neuen Bundesländern aus. Bisher konnte ein Ladeninhaber einer Kündigung widersprechen, wenn diese „eine erhebliche Gefährdung seiner wirtschaftlichen Lebensgrundlage“ bedeutete oder eine Mieterhöhung nicht im Rahmen der „Ortsüblichkeit“ lag. „Wenn diese Regelung auch kein Allheilmittel ist, bietet sie doch eine gewisse Rückendeckung bei den Verhandlungen mit den Vermietern“, findet Elisabeth Ziemer vom Bündnis 90/Grüne. Deshalb will sie den Senat in die Pflicht nehmen, sich in Bonn für eine Verlängerung der Regelung stark zu machen. Die Sachsen kamen ihr allerdings mit einer Gesetzesinitiative zuvor, die bereits den Bundesrat passiert hat. Statt um drei, wie von Ziemer vorgeschlagen, soll die Regelung allerdings nur um zwei Jahre verlängert werden. Die Entscheidung des Bundestages steht noch aus.
Bereits im Bundesrat gescheitert ist hingegen die vor Jahresfrist vollmundig angekündigte Gewerbemieteninitiative des Berliner Senats. Alarmiert von horrenden Mieterhöhungen im Westteil der Stadt und den Protesten der Betroffenen, hatte die Berliner Regierung im September 1991 ein Gesetzespaket gen Bonn geschickt, das in Ballungsgebieten neben einer Verlängerung der Kündigungsfrist von drei auf sechs Monate auch eine Kappungsgrenze bei Mietsteigerungen auf 30 Prozent innerhalb von drei Jahren vorsah. Um diese Initiative ist es nun freilich still geworden. Nachdem lediglich Hamburg für die „besondere Berliner Problematik“ Verständnis signalisierte – aus der Arbeitsgemeinschaft der Selbständigen in der SPD war zu vernehmen, daß die Kappungsgrenze bei einer Probeabstimmung im Bundesrat ins Wasser gefallen ist –, will sich der Senat in Bonn nun für eine Begrenzung der Gesetzesinitiative für Berlin und Brandenburg stark machen. „Doch das braucht seine Zeit“, erklärte der Sprecher des Wirtschaftssenats, Holger Hübner. Um den Erfolg der Sachseninitiative für die Verlängerung des Ost- Kündigungsschutzes nicht zu gefährden, habe man vorerst den alten Berliner Antrag zurückgezogen. „Man kann“, so Hübner, „die Bettdecke, unter der man liegt, eben nicht längerziehen, als sie ist.“ Damit scheinen Erfrierungen vorprogrammiert. Schon jetzt, so belegt es eine Studie des Vereins SO36, setzen sich in Kreuzberg verstärkt die zahlungskräftigeren Nutzergruppen durch. Uwe Rada
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen