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Unterm Strich

Was an diesem schönen Nachrichtenmorgen als erstes ankommt, so richtig hammermäßig ins Auge springt, ist die absolute Wahnsinnsmeldung, daß die Schauspielerin Marianne Hoppe und der Theaterregisseur Peter Stein am Samstag abend vor 250 Zuschauern in der Berliner Schaubühne am Lehniner Platz aus Goethes Werken gelesen haben, und zwar nicht etwa aus dem Werther oder gar was Obszönes aus dem Frühwerk. Nein, klassische Phase! Hoppe, so dpa, habe aus den „Römischen Elegien“ rezitiert, die „der große Weimarer Dichter“ (??!!) nach seiner Italienischen Reise verfaßte. „Die begeisterte Reaktion der Zuhörer bewies, daß die Lyrik des deutschen Klassikers bis heute nichts von ihrer fesselnden Kraft verloren hat.“ Erst durch die nähere Erläuterung allerdings, Hoppes Vortrag habe „dem Publikum so manches Schmunzeln über Goethes Anbetung des Liebesgottes Amor“ entlockt, fühlen wir und als ganzer Mensch – geistig, moralisch und erotisch – in die fünfziger Jahre zurückversetzt.

Wer jetzt Lust bekommt, flugs mal nach Weimar zu pilgern, um dem dort ansässigen Goethehaus einen Besuch abzustatten, sei gewarnt: Es hat zu! Noch bis voraussichtlich Ostern wird da drin rundumerneuert und totalrenoviert. Was außer der eigentlichen Restauration ziemlich Zeit in Anspruch nimmt: Das „kulturhistorisch wertvolle Gebäude“ (dpa) soll unter anderem mit einer neuen Sicherheits- und Brandwarnanlage ausgestattet werden (da kann man jetzt lange drüber meditieren, liebeR LeserIn!). Schäden an Wänden, Dielen und Möbeln sollen behoben sowie alle Büsten und Bilder der im Goethehaus untergebrachten ständigen Ausstellung „behutsam gereinigt“ werden.

Schwenk zu den Klassikern der Moderne: Heinrich Böll, der „gute Mensch von Köln“, wäre demnächst 75 geworden. Deshalb ehrt ihn schon jetzt seine Heimatstadt mit diversen Ausstellungen, Filmen und Hörspielsendungen. Die Böll-Stiftung lädt außerdem zu einer Böll-Woche mit einem kombinierten Symposium ein, das bei Erscheinen dieser Meldung schon begonnen haben wird. Anlaß zur Erinnerung ist u.a. die sogenannte „Terrorismus-Diskussion“ der siebziger Jahre, in der Böll als „Sympathisant“ beschimpft worden war. Heute dagegen, heißt es aus dem Ticker, gehörten die Begriffe „Versöhnung“ und „Gnade“, die Böll damals im Zusammenhang mit linker Gewalt gebraucht hatte, „zum Vokabular angesehener Politiker“. Trotzdem sei Böll auch schon damals ein Mahner gegen Rechts gewesen. Oh Böll, oh Bollwerk! Oh Verewiger rheinischer Küchendünste im Medium gediegenster Literatur! 90 Prozent der Westdeutschen bist Du nach einer dieser Allensbach-Umfragen noch als „bedeutender Autor“ im Gedächtnis, im Osten stellt das Volk Dich derselben Umfrage zufolge auf eine Stufe mit Stefan Heym und Christa Wolf.

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