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Der Tarnkappengrapscher Von Andrea Böhm

Eine neue Spezies Mann ist in Washington aufgetaucht: der Tarnkappengrapscher. Es gibt ihn vermutlich schon seit ein bis zwei Jahrzehnten und in vielfältiger Ausfertigung, doch nun hat sich das erste Lebendexemplar in der Öffentlichkeit zu erkennen gegeben — unfreiwillig allerdings. Sein Name ist Bob Packwood, Senator im US-Kongreß, der seit nunmehr 24 Jahren Mitglied dieses ehrenwerten Hauses ist und von der knappen Mehrheit der Wähler im Bundesstaat Oregon gerade wiedergewählt wurde. Bob Packwood ist ein Freund der Frauen im Kampf um ihre Rechte. Ob es nun um den Verfassungszusatz zur Gleichberechtigung, die Frage der Abtreibung oder eine frauenfreundlichere Familienpolitik ging, Bob war immer auf der Seite des Fortschritts. Für einen Republikaner nicht selbstverständlich. In den Augen der gottesfürchtigen, den Republikanern nahestehenden Lobbygruppen wie der „Christian Coalition“ des TV-Predigers Pat Robertson (Spenden absetzbar) ist Packwood wahrscheinlich ein Opfer jener „geheimen feministischen Agenda..., die Frauen ermutigt, ihre Männer zu verlassen, ihre Kinder umzubringen, Hexerei zu betreiben, den Kapitalismus zu zerstören und lesbisch zu werden“.

Zu seiner Verteidigung kann Packwood nun immerhin vorbringen, seit über zwanzig Jahren Frauen in seinem Mitarbeiterstab sexuell belästigt zu haben. Das wußten im Kongreß natürlich im Laufe der Jahre immer mehr Kollegen. Aber mann behielt es für sich. Entweder weil mann selbst im Glashaus saß (und sitzt), oder weil mann fand, daß Packwood eigentlich ein ziemlich fortschrittlicher Kerl sei und über solche Banalitäten nicht stolpern sollte.

Mindestens zehn Frauen haben nun der Washington Post erzählt, wie Packwood sie gegen ihren Willen versuchte zu küssen, zu umarmen oder zu betasten. Bob, the Progressive, reagierte erst einmal mit dem empörten Dementi des Unschuldigen; dann mit einer Denunziationskampagne gegen die betroffenen Frauen; dann mit der Verkündung, er habe Alkoholprobleme; last not least mit einer Pressekonferenz, in der er sein Verhalten als „ganz einfach falsch“ und von seiten der attackierten Frauen als „unerwünscht“ bezeichnete. Die waren nun von diesem fulminanten Lernprozeß wenig beeindruckt, zumal der Mann nach eigenem Bekunden nicht im Traum daran denkt, zurückzutreten. Schließlich hat er versprochen, daß dergleichen nicht mehr vorkommt. Und was sagen die „konspirativen Feministinnen“, die nach der Robertsonschen Horrorvision längst in jeder Kongreßschublade lauern, sofern sie sich noch nicht per Hexerei in Abgeordnete verwandelt haben? Einige martern ihr Hirn mit der Frage, ob man einem progressiven Grapscher eher vergeben sollte als einem reaktionären. Schließlich war Packwood nicht nur immer auf der politisch korrekten Seite. Jetzt hat er auch noch versichert, daß er sich einem „Anti-Belästigungs-Training“ unterziehen würde.

Andere Frauen wünschen Packwood schlicht zum Teufel — hartherzig wie Hexen nun mal sind. Wozu sollte Frau auch Mitleid hegen? Der Mann hat mit seiner Senatoren-Pension ausgesorgt. Und für Frauenrechte kann er sich auch außerparlamentarisch engagieren.

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