: Indiens Regierung sagt BJP den Kampf an
Delhi setzt Regierungen dreier Provinzen ab, die von der Hindu-Partei BJP gestellt wurden/ Position von Premier Rao innerhalb der Kongreßpartei ist geschwächt ■ Aus Neu-Delhi Bernard Imhasly
Das indische Parlament war gestern Schauplatz lautstarker und zum Teil handgreiflicher Auseinandersetzungen. Wütende Abgeordnete der rechtshinduistischen „Bharatiya Janata Party“ (BJP) suchten – vergeblich – die Verabschiedung einer Resolution zu verhindern, in der die Zerstörung der Moschee von Ayodhya am 6. Dezember scharf verurteilt wurde. Mitglieder der regierenden Kongreßpartei mußten sich vor Premierminister Narashima Rao stellen, um ihn vor Schlägen ihrer oppositionellen BJP-Kollegen zu schützen. Rao sei der „Mörder der indischen Demokratie“, riefen BJP-Abgeordnete und forderten seinen sorfortigen Rücktritt, berichtet dpa.
In der Nacht zuvor hatte der indische Präsident auf Empfehlung von Premier Rao die Regierungen der drei Bundesstaaten Himachal Pradesh, Madhya Pradesh und Rajasthan entlassen. Diese wurden der Zentralgewalt in Delhi unterstellt. Alle drei Staaten wurden von der BJP geführt, die angeklagt wird, die Zerstörung der Moschee in Ayodhya vorbereitet oder zumindest geduldet zu haben. Die Begründung lautete denn auch, daß die drei Regierungen vor dem 6.Dezember ihre Bevölkerung zur „Pilgerfahrt“ nach Ayodhya angestiftet und die Vandalen danach als Helden empfangen hätten. Zudem hätten die drei Regierungen die Verbote extremistischer Organisationen in ihren Staaten nur nachlässig durchgesetzt.
Vor allem der zweite Vorwurf trifft zweifellos zu: Es konnte von den drei Chefministern kaum erwartet werden, daß sie dezidiert gegen die Büros und Mitglieder der nun geächteten „Rashtriya Swayamsevak Sangh“ (RSS) vorgehen würden, werden doch alle drei der Mitgliedschaft in dieser hinduistischen Kaderorganisation verdächtigt.
Dennoch werden sowohl die Verfassungsmäßigkeit wie die Opportunität der Absetzung weitherum in Frage gestellt. Das Instrument des president's rule ist dann vorgesehen, wenn ein Staat seine konstitutionellen Pflichten nicht mehr wahrzunehmen vermag. Es ist aber im Lauf der Jahre zu einem politischen Prügelstab verkommen, den die Zentralregierung gegen unliebsame Bundesstaaten schwingen kann. Alles weist darauf hin, daß es auch diesmal nicht anders war und daß die Kongreßregierung der BJP nun offen den Kampf angesagt hat.
Harter Kurs setzt sich durch
Dies entspricht zweifellos nicht dem Temperament von Premier Rao, der noch vor einigen Tagen eine Absetzung der drei Regierungen als unnötig bezeichnete. Innerhalb der Parteiführung mehrte sich dann aber der Druck einer Gruppe um Minister Arjun Singh für einen harten Kurs, dem sich Rao schließlich beugen mußte.
Dessen vorsichtiges Taktieren im Vorfeld der Zerstörung der Moschee von Ayodhya wird in Parteikreisen als einer der Gründe für das Debakel vom 6.Dezember angesehen. Es hat seine Stellung geschwächt und der Politik von Arjun Singh Auftrieb gegeben, der schon früher einer Konfrontation der hinduistischen Kräfte das Wort geredet und sich mit dieser harten Linie als innerparteilicher Herausforderer von Rao profiliert hatte.
Neben der verfassungsmäßigen Fragwürdigkeit wird weitherum auch die politische Klugheit dieses extremen Schrittes angezweifelt. Die BJP wird ihn zweifellos dazu nutzen, sich als Opfer einer Kongreß-Intrige darzustellen und die Martyrerrolle zu akzentuieren, die sie nach der Verhaftung ihrer Führer L.K. Advani und M.M. Joshi einzunehmen begann.
In der kurzen Debatte des Parlaments, das kurz nach Wiederbeginn der Wintersession wegen der tumultuösen Szenen wieder vertagt werden mußte, zeichnete sich die BJP als gesetzestreue Partei, die um das Mandat des Volkes geprellt worden ist. Es zeigt, daß die Regierung es nicht dabei belassen kann, BJP-Führer zu arrestieren und unter den Mitgliedern der verbotenen Organisationen eine Verhaftungswelle durchzuführen.
Bisher sollen über 3.000 Mitglieder der RSS, der „Vishnu Hindu Parishad“ (VHP) und der „Bajrang Dal“ unter Arrest stehen. Aber dies schwächt diese Organisationen nur wenig, ist doch die Mitgliedschaft, etwa bei der RSS, keine formelle und läßt sich ohne weiteres vertuschen. Die gelassene Reaktion von deren Führern zeigt denn auch, daß sie im Verbot eher einen Jungbrunnen sehen, in dem sie ihre Kaderstruktur und Ideologie wieder erneuern können. Sie wird der BJP beim nächsten allgemeinen Wahlgang, der nun näherrücken könnte, von großem Nutzen sein.
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