Keine Fernsehfilme nach EG-Norm

In Brüssel ist das Euro-Elektrokartell aus Postministern, Fernsehdirektoren und Konzernstrategen an Großbritanniens Veto gescheitert/ Aus für veraltete neue HDTV-Technik?  ■ Von Donata Riedel

Die EG wird nicht, wie geplant, ab kommendem Jahr zur Produzentin von Fernsehfilmen. Großbritannien hat nämlich am Dienstag das Vorhaben seiner EG-Partner verhindert, eine Milliarde Mark in eine Markteinführungskampagne für neue Produkte der europäischen Elektronik-Industrie zu pulvern. Mit dem Geld sollte ein Förderprogramm für die Produktion von Fernsehfilmen ausgestattet werden. Ziel: Für eine neue Fernsehgeräte-Generation, das sogenannte hochauflösende Fernsehen HDTV, sollten vorab schon mal die passenden Filme gedreht werden — die ohne massive Förderung vermutlich niemand produzieren würde.

Mit den neuartigen Breitformat-Fernsehgeräten wollten die kontinentalen EG-Regierungen die europäischen Elektronikmultis, vor allem den französischen Riesen Thomson und den niederländischen Philips-Konzern, wieder ins Endgeräte-Geschäft bringen. Das nämlich könnte ab ungefähr 1995 ohne Euro-Glotzen stattfinden, weil die japanischen und US-amerikanischen Hersteller sehr viel weiter sind in der HDTV- Entwicklung. HDTV, so seine Protagonisten, soll künftig das Kino- Erlebnis breitleinwand-formatig ins Wohnzimmer bringen.

Um den verspäteten Anschluß an die Technik-Zukunft doch noch zu schaffen, hatte in den frühen Satelliten-TV-begeisterten 80er Jahren ein europäisch vernetztes Frühstückskartell aus Postministern, Elektronik-Industriellen und Fernsehdirektoren die neue Übergangsnorm D2Mac ausgebrütet. Die couch potatoe der Zukunft hätte mit dem D2Mac von heute später auch HDTV-Programme empfangen können.

Jedoch: Der Einstieg ins D2Mac-Satellitenfernsehen mißlang gründlich. Zuerst hob der TV- Sat1 wegen Pannen der Trägerrakete nicht ab, und dann, als er 1988 endlich in die Erdumlaufbahn gelangt war, konnte er ein Sonnenpaddel nicht ausklappen. Sein Nachfolger, der TV-Sat2, kam zu spät, weil die Luxemburger Société Européenne des Satellites (SES) den Astra-Satelliten hochbrachte. Der sendet viele bunte Programme in ordentlicher Farbfernsehqualität, und das in der Steinzeit-Übertragungsnorm Pal. Fortan gab es überhaupt keinen Grund mehr, sich ein teures Mac-fähiges Gerät zu kaufen, um Satellitenprogramme empfangen zu können.

Experten erwarten jedoch, daß weder D2Mac noch die zum HDTV aufgemotzte Version HD- Mac die Normen der Fernsehzukunft sein werden, sondern jene digitale Übertragungstechnik, wie sie derzeit vor allem in den USA entwickelt wird. Darum warnen Sachverständige seit längerem vor der Förderung des hochauflösenden Fernsehens und Verbraucherberater vor dem Kauf von D2Mac- Geräten zum jetzigen Zeitpunkt.

Einen halben Rückzieher gegenüber früheren Plänen wollte inzwischen selbst die Mehrheit der EG-Regierungen. Nicht mehr eine bestimmte technische Norm wollten sie festlegen, sondern nur noch das Breitbild-Format 16:9 für die förderfähigen Filme festschreiben, das theoretisch in nicht ganz so hoher Bildqualität auch über Pal umgesetzt werden kann (auch wenn die Industrie keine 16:9-Pal-Geräte anbietet).

Das reichte Großbritanniens Industrieminister Tim Sainsbury jedoch nicht, der am Dienstag „Europas Fernsehen in eine Sackgasse geraten“ sah, falls die EG die schon im Veralten begriffene hochauflösende Technik weiter fördern würde. Die britische Delegation ließ sich auch nicht dadurch umstimmen, daß die niederländische Postministerin Hanja Maji- Weggen Premierminister John Major Wortbruch vorwarf, weil er doch beim EG-Gipfel von Edinburgh den Eindruck erweckt habe, daß Großbritannien seine Veto- Haltung aufgeben werde.

Manch ein Insider vermutet hinter dem Abrücken der EG-Forschungsminister von der HDTV- Filmförderung noch einen anderen Grund: Die knappen Mittel sollen jetzt vorrangig der Bio- und Gentechnik zugute kommen.