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Kunst der Gehorsamkeit

■ Eine kleine Ausstellung im Altonaer Museum zeigt Hamburger Neujahrs- und Weihnachtskarten aus zwei Jahrhunderten

zeigt Hamburger Neujahrs- und Weihnachtskarten aus zwei Jahrhunderten

Das Schreiben von Weihnachtswunschkarten, ein Ritual, das es in Hamburg schon seit 1731 gibt, ist für Kinder meist eher eine Last als ein Vergnügen. In den verflossenen Jahrhunderten verband sich mit den geschriebenen Wünschen noch nicht einmal eine Wunschliste, wie es ja heute der Fall ist. Statt des Wunsches nach einer neuen Modelleisenbahn oder einem Spielzeuggewehr wurden die Karten, mit sorgfältig niedergeschriebenen Dankeshuldigungen und frommen Neujahrswünschen ausgefüllt, den Verwandten als Geschenk überreicht.

Gestaltet wurden die liebevoll verzierten Blätter zur Jahreswende, die die Kinder für wenig Geld in Papierläden erstanden und dann mühsam in Schönschrift ausgefüllt haben, von Künstlern. Angesichts der Mühe und des Aufwandes galten sie als Kostbarkeit, wurden sorgsam verwahrt und später in Gold- und Buntpapier eingebunden oder hinter Glas gebracht.

Daß die alten Hamburger Weihnachtswunschblätter als Familienheiligtum lange in Ehren gehalten wurden, kommt nun der Ausstellung Weihnachtswünsche aus zwei Jahrhunderten im Altonaer Museum zugute. Die dort präsentierten, meist großen Papierbögen sind mit Holzschnitten, Kupferstichen und Lithographien geschmückt, oft in Farben ausgemalt und mit längerem Text versehen. Gehorsam und ehrwürdige Dankbarkeit sollte darin schriftlich bewiesen werden. So waren die Wünsche an die „verehrungswürdigsten Eltern", die „werthgeschätzteste Frau Großmutter" oder den „herzgeliebten Papa" gerichtet.

Das Schema der Blätter ist ein reich verzierter Rahmen mit Figuren und Szenen aus der Bibel. Bilder aus dem Familienleben und symbolische Darstellungen zum Jahreswechsel gehören ebenfalls zur Illustration. Oft bildet eine kunstvoll verzierte Anfangszeile den oberen Teil, unter den Verse, die Namen der Kinder und das Datum gesetzt sind.

Ein Blatt von 1854 ist zum Beispiel mit aufgeklebten Papierblumen und geprägten Ziergirlanden aus Gold versehen. 1912 entstand ein Blatt mit einem Weihnachtsmann im Automobil, der Fortschritt hielt auch in diese romantische Enklave Einzug. Der Wunsch zum Fest ist wohl das einzige, was der Ausläufer dieser Tradition, die heutigen (Glück-)Wunschkarten, mit der alten Vorlage gemeinsam hat. Eigentlich schade. Nina Schöneweiß

Noch bis 10.1.

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