: Wieviel Grünfläche braucht Bremen?
■ Stadtplanung und Wirtschaft streiten über Gewerbeflächen und die Hemelinger Marsch
In den Weihnachtsfeiertagen wollen sich Wirtschaftssenator Jäger und Stadtplanungs-Senator Fücks zusammensetzen, um eine der verbliebenen großen Ampel- Koalitions-Kontroversen zu beraten: Gewerbeflächen-Bedarf und Hemelinger Marsch. Die Konflikte mit dem Umweltsenator seien in der Sache hart, im Ton aber kollegial, lobte Jäger.
Die Hemelinger Marsch ist nahe am Autobahn-Kreuz, dort können Unternehmen, die sonst fünf Kilometer weiter nach Achim aussiedeln würden, auf bremischem Gebiet Flächen finden, sagt die Wirtschaftsbehörde. Und wenn man mehr Wirtschaftskraft will, muß man Flächen zur Verfügung stellen: 50-60 Hektar pro Jahr derzeit. Alte Industriegelände zu entsorgen (“Brachenrecycling“) wäre zu teuer, sagt Jäger.
Das Büro „Planquadrat“ aus Dortmund hat die Gegenargumente in einem Gutachten zusammengetragen: Dr. Bonny erinnert daran, daß bis zu 80 Prozent des Gewerbeflächenbedarfs durch „Umsiedlungen“ entsteht. Da könne eine Stadtplanung also durchaus steuernd wirken, wenn die Alternative besteht: Erlauben wir einer Firma an ihrem alten Standort dies& das oder bieten wir ihr eine grüne Wiesen an. Wirklich bebaut, so behauptet der Dortmunder Gutachter, werden sehr viel weniger als die angegebenen 50 Hektar, knapp über 20 würden bei intensiver Nutzung ausreichen. Viel wichtiger als die Menge der Fläche sei für moderne Unternehmen die Qualität des städtischen Umfeldes. Viele Arbeitsplätze sind zudem aus Bremen nicht nach Niedersachsen abgewandert, hat Bonny ausgerechnet.
Was der Gutachter aus Dortmund überhaupt nicht verstanden hat, ist die Sensibilität der Bremer in der „Bürgermeisterkonkurrenz“ mit dem Umland. Als er vor der Wirtschaftskammer seine Thesen vortrug, konnten die versammelten Unternehmer sich nur mit Mühe zurückhalten. Handelskammer-Syndikus Porschen zitierte empört die Formulierung aus dem Gutachten, daß „attraktive Gewerbeflächen des Umlandes als ein Potential des Standortes Bremen interpretiert werden“ müssen. Staatsrat Haller unterstrich, daß es eine „Arbeitsteilung“ mit dem Umland nicht geben könne. Wenn jemand auf die Hemelinger Marsch will, könne man ihm nicht etwas bei Klöckner- West anbieten, ohne die Abwanderung nach Achim zu riskieren.
Wenn es nützt, agumentieren bremische Wirtschaftspolitiker sogar mit der Ökologie: Wer Unternehmen aus Bremen ins Umland ziehen läßt, provoziert Straßen- und Infrastruktur-Bau, erklärte Wirtschafts-Staatsrat Haller. K.W.
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