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„Bosnien braucht unsere Hilfe jetzt“

■ Ein Waggon voll Mehl und Betten / Muslimische Gemeinde und ASB schicken Hilfsgüter ins Kriegsgebiet

Fast hätte die Hilfslieferung den Zug verpaßt. Erst nach einigem Hin und Her konnte die wichtigste Ladung des Transports, 20 Tonnen Mehl, von der Zollplombierung befreit und in den Waggon auf Gleis 64 des Bremer Güterbahnhofs verladen werden. Krankenhausbetten, Rollstühle, Medikamente und warme Kleidung hatten bosnische Familien und der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) in einer Eilaktion gesammelt, um sie in die Hafenstadt Rijeka zu schicken. Von dort sollen Laster die Hilfsgüter in die bei Sarajevo gelegenen Städte Lukavac und Zivinice transportieren.

„Die Ladung hat einen Wert von etwa 18.000 Mark, aber der Wert da unten im Krieg ist wesentlich höher. In den beiden Städten sind 80.000 Menschen, denen es am Nötigsten fehlt“, sagt Thomas Pörschke vom Arbeiter-Samariter-Bund. Der Transport soll noch vor Weihnachten an den Bestimmungsorten ankommen und als „Probelauf für die Versorgung der Zivilbevölkerung“ dienen. Der ASB will die Kampagne „Mehl für Lukavac und Zivinice! Bosnien braucht unsere Hilfe jetzt“ fortsetzen. Neben Geldspenden will sich der ASB mit der Bitte um Verbandsstoffe und Medikamente auch an Bremer Ärzte und Kliniken wenden.

Die eigentliche Idee zu der Aktion stammt von Ismet Hodzic, dem Sprecher der Gemeinde Jugoslawischer Moslems in Bremen. „Die UNO leistet nicht genug Unterstützung für die Bosnier und trägt für die Massaker an der bosnischen Bevölkerung die Verantwortung“, beurteilt er den Einsatz der UN-Truppen und begründet damit sein Engagement. Die Mitglieder der Gemeinde leisten deshalb schon längere Zeit private Hilfe, indem sie bei Fahrten ins ehemalige Jugoslawien Hilfsgüter mitnehmen. Die Spendensammlung ist die erste gemeinsame Aktion der Gemeinde. Sie sortierte die verschiedenen Güter vor dem Transport, die dann zehn junge Männer der Gemeinde in den Waggon verluden.

Asis Tursic, 26, kämpfte als Soldat im Bürgerkrieg. Nach sechs Monaten erschienen ihm die gewalttätigen Auseinandersetzungen immer sinnloser. „Ich konnte nicht weitermachen“, erklärt er seine Flucht nach Bremen. Abdurahman Hodzic, 24, lebte bis zum Beginn des Krieges in Zivinice und sollte zur Armee eingezogen werden. Da er nicht gegen seine kroatischen Nachbarn kämpfen wollte, floh er. Er ließ einen Teil seiner Familie zurück. Beide sehen in ihrer Arbeit bei der Spendensammlung eine Möglichkeit, ihre Freunde und Verwandten zu unterstützen. Der Hilfstransport ist ihnen sehr wichtig: „Wenn es die UN nicht schafft, Hilfstransporte zu schützen, dann soll sie uns Waffen geben.“ Dann würden sie schon selbst darauf aufpassen. bap/mw

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