piwik no script img

Anwälte stempeln gegen Rassismus

■ Gegen eine Stempel-Aktion von zehn Berliner Kanzleien legte ein Richter am Verwaltungsgericht Beschwerde ein

Berlin. Seit Wochen hat die Auszubildende in ihrer Anwaltskanzlei mehr Arbeit kurz vor Feierabend. Dann stempelt sie die gesamte Post, die die Kanzlei verläßt, nicht nur mit dem üblichen „Abschrift“ oder „Beglaubigt zwecks Zustellung“. Neuerdings prangt zusätzlich ein knallrotes „Rechtsanwälte/innen gegen Rassismus“ auf jedem Schreiben. „Ich finde die Aktion gut, denn sie kann vielleicht die Menschen aufrütteln“, sagt die 21jährige.

Rechtsanwalt Christoph von Buttlar, einer ihrer Chefs, begründet die Aktion: „Gerade wir Juristen dürfen vor Rassismus nicht die Augen verschließen. Angesichts der Geschichte der deutschen Justiz müssen gerade wir Position beziehen.“ Das Mariendorfer Anwaltsbüro ist eine von etwa zehn Berliner Kanzleien, die sich nach den Rostocker Pogromen entschlossen haben, stempelnd gegen Rassismus anzugehen.

Während die MandantInnen überwiegend positiv auf die Aktion ihrer AnwältInnen reagieren, hat der Stempel bei einigen RichterInnen Unmut ausgelöst. Richterin Karin Haegert von der 23. Kammer des Verwaltungsgerichtes, die auch mit Asylverfahren betraut ist, lehnte es ab, eine „Gegen Rassismus“ gestempelte Klage zu bearbeiten. Sie sandte den Schriftsatz kurzerhand zurück und bat die Anwältin darum, ungestempelte Schreiben einzureichen. Gegenüber der taz erklärte die Richterin: „Ich bin selbstverständlich auch gegen Rassismus. Aber solche Äußerungen gehören einfach nicht auf Schriftsätze.“ AnwältInnen träten nicht als eigene Personen auf, sondern ausschließlich als VertreterInnen ihrer Mandanten. Eigene Meinungsäußerungen seien ihnen daher untersagt. Rechtsanwältin Evelies Brökers, die Initiatorin der Stempel-Aktion, sieht das anders: „Ich vertrete fast ausschließlich ausländische Mandanten, und natürlich ist das in ihrem Sinne. Wenn eine Mandantin das nicht will, weil sie negative Auswirkungen auf ihren Prozeß befürchtet, dann würden wir Schreiben nicht mehr stempeln.“

Rechtsanwalt und Stempler Markus Willkomm hält die Position der Richterin aber auch juristisch für bedenklich. „Das würde ja dazu führen, daß die Richter sich anmaßen zu entscheiden, wofür ich nun von meinem Mandanten bevollmächtigt bin und wofür nicht. Was ich in einen Schriftsatz schreibe, ist meine Entscheidung, und wenn mir der Mandant deswegen das Mandat entzieht, dann betrifft das ihn und mich. Da hat sich der Richter nicht einzumischen.“ Wenn es so wäre, daß der Anwalt ausschließlich Sprachrohr des Mandanten wäre und nicht auch in eigener Verantwortung vortrage, dann wären die AnwältInnen kein eigenständiges Organ der Rechtspflege. „Das geht an den Grundsatz der freien Advokatur!“

Ein Richter am Verwaltungsgericht hat mittlerweile Beschwerde bei der Berliner Anwaltskammer eingelegt, die nun über die Stempelfrage entscheiden muß. Dort wird wahrscheinlich ein Passus der Bundesrechtsanwaltsordnung im Vordergrund stehen, der die Anwälte verpflichtet, „ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und die Würde des Berufsstandes zu wahren“. Gerade die, so Rechtsanwältin Brökers, gebiete aber, gegen Rassismus aktiv Stellung zu nehmen. Bernd Pickert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen