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Gisele Freund: "Die Frau mit der Kamera"

Ein kleiner Etikettenschwindel: „Giséle Freund, Die Frau mit der Kamera“ ist kein Querschnitt der Fotografien Freunds, sondern eine Sammlung ihrer Porträts von Frauen und Reportagefotos, in denen Frauen vorkommen. Allerdings auch Männer; zum auf holländisch getrimmten Fensterporträt von Beauvoir wird auch das weithin bekannte Bild hinzugestellt, das sie mit Sartre zeigt, beide an Tischen, ihn im Vordergrund.

Giséle Freund hat es mit einer Dissertation, ein paar Dutzend Literatenporträts zu einem Namen in „der Fotografie“ gebracht. Dabei kommt sie, wie der Textautor Hans Puttnies feststellt, in einem „dummen Buch“ zur Geschichte der Fotografie gleich mehrmals, in den helleren Standardwerken gar nicht vor. Das ist nicht schwer zu erklären: Ihr Ruhm hängt am Ruhm der Leute, die sie aufgenommen hat. Ihre Fotoreportagen sind seit den dreißiger Jahren gedruckt worden, sie hat aber diese Erzählform nicht wesentlich beeinflußt. Sie ist – und das wirkt um so stärker, als die gezeigten Bilder mehr als fünfzig Jahre umfassen — stilistisch in größter Verlegenheit, da geht es von der Genreszene mit Bäuerin über den Schnappschuß am Blumenstand zum belanglosen Selbstporträt, das den Titel ziert.

Freund steht für den Mythos der „Künstlerfreundschaft“ zwischen den Kriegen, die Vorstellung, daß das Exil eine Art riesiges Kaffeehaus gewesen wäre. Man könnte – gerade im Kontrast zu dem konventionell bombastischen offiziellen Mitterrand-Porträt Freunds – sagen, daß ihre schlichten Porträts ihre besten seien. Es ist wohl ärger: die biedere Penetranz ihrer frühen Farbporträts hat sich vor das „innere Bild“ gestellt, das gute Literatur in getreuen Lesern aufbaut. Man kann nur froh sein, daß Kafka schon tot war, als Freund anfing zu fotografieren. uez

Foto: Giséle Freund, Victoria Ocampo, Paris 1939. Aus: „Die Frau mit der Kamera“, Schirmer/ Mosel Verlag, München, 58 DM.

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