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■ Das PortraitBettino Craxi

Er kann und kann es nicht fassen: daß sich Staatsanwälte an Honoratioren erster Garnitur vergehen, hat ihm schon immer mißfallen, mitunter aber hat es ihm bei seiner eigenen Karriere auch genützt. Doch daß es ihn selbst einmal erwischen könnte, lag für ihn noch vor wenigen Wochen außerhalb jeden Denkens: Bettino Craxi, 58, gebürtiger Mailänder, Vorsitzender der Sozialistischen Partei, seit eineinhalb Jahrzehnten so etwas wie das gesamtitalienische Symbol präpotenten Herrscherwillens, befindet sich im Senkrechtsturz. Die Großuntersuchung „Mani pulite“, saubere Hände, mit der die Staatsanwaltschaft einen Korruptionssumpf auszutrocknen versucht, hat auch ihn erwischt. Die Vorwürfe: Erpressung, Hehlerei, Verstoß gegen das Gesetz zur Parteienfinanzierung, rund zwanzig Einzeldelikte, mit einer Schmiergeldsumme von an die fünfzig Millionen Mark. Craxi sieht es als „direkte Aggression gegen mich“.

Foto Nr. 1

Foto: Reuter

Dabei war der Einsneunzigmann in seinem politischen Leben mit anderen auch nie zimperlich. Rücksichtslos bootete er Gegenspieler aus. Da seine Wahlergebnisse beständig aufwärtswiesen – „die lange Welle des PSI“ nannte er das selber –, flossen ihm Gelder und Klientel in Massen zu.

Erst als sich voriges Jahr ein Abebben der „Welle“ zeigte, kamen die verschreckten Anti-Craxianer wieder aus der Deckung, und zu Beginn 1992, noch vor den Wahlen, wagten es die Staatsanwälte erstmals, einen Craxi- Vertrauten, der als notorischer Gelderpresser aufgefallen war, in den Knast zu werfen.

Die Frage ist, was Craxi nun tun wird. Ein geordneter Rückzug kommt für ihn auf gar keinen Fall in Frage – er hält sich wirklich für unschuldig, weil es „alle so gemacht und alle gewußt haben, daß dies das System ist“. Die Staatsanwälte können seiner Ansicht nach nur aus politischen Motiven gehandelt haben, nicht aber, weil Korruption schlichtweg strafbar ist.

Am wahrscheinlichsten ist für ihn eine Art De-Gaulle- Verhalten: verschnupfte Verweigerung für künftige Aufgaben, in der Hoffnung, daß bald eine Situation entsteht, die den Ruf nach dem „Starken“ immer lauter ertönen läßt, bis er nicht mehr anders kann und wiederkommt – dann aber mit absoluter Machtfülle und ohne Furcht vor Staatsanwälten. Werner Raith

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