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Die Steg: Ein Sanierer übt Spagath

■ Am 20. Dezember 1989 wurde die Stadterneuerungsgesellschaft /Steg) aus der Taufe gehoben. Mit Vorschußlorbeeren und heftiger Kritik gleichermaßen bedacht, sollte sie die "behutsame" Sanierung des...

aus der Taufe gehoben. Mit Vorschußlorbeeren und heftiger Kritik gleichermaßen bedacht, sollte sie die „behutsame“ Sanierung des Karoviertels, von Altona, St.Pauli und Ottensen voranbringen. Auch drei Jahre nach ihrer Gründung ist die Kritik nicht verklungen. taz-Redakteur Marco Carini sprach mit Steg-Chef Peter Jorzik, und die WohnungsbauexpertInnen der GAL und der CDU, Conny Jürgens und Andreas Mattner ziehen ihre Bilanz der ersten drei Steg-Jahre

Vor drei Jahren wurde die Einrichtung der Steg beschlossen, vor zweieinhalb Jahren nahm sie ihre Arbeit auf. Sind Sie mit der Sanierung seitdem so vorangekommen, wie Sie es erwartet haben?

Nein. Die Rahmenbedingungen haben sich zu unserem Arbeitsbeginn rapide verschlechtert. Das Wohnraumangebot ist umgeklappt, statt Leerstand herrschte plötzlich ein enormer Druck auf jede freie Altbauwohnung. Für Stadterneuerung ein ungeheures Handicap. Dazu setzte 1990 aufgrund der hohen Baunachfrage ein enormer Galopp der Baupreise ein. Dazu kommt, daß der Altbaubereich für viele Baufirmen sehr unattraktiv ist, weil er kleinteilig und schwer zu organisieren ist. Wir bekamen also große Probleme, fachlich qualifizierte Baufirmen zu finden.

Die CDU hat errechnet, daß allein die Sanierung des Karo-Viertels bis zum Jahr 2250 dauert, wenn die Steg ihr Sanierungstempo nicht beträchtlich steigert.

Diese Berechnung ist nicht nachvollziehbar. Wir haben im Moment die Hälfte des Treuhandwohnungsbestands im Karolinenviertel schon in der Planung und die ersten Fertigstellungen zu verzeichnen. Nach 12 bis 15 Jahren werden wir die 1000 Wohnungen, die wir hier verwalten, komplett erneuert haben. Insgesamt haben wir nach zweieinhalb Jahren faktischer Arbeit in allen von uns betreuten Sanierungsgebieten bereits die Instandsetzung und Modernisierung von 904 Wohnungen in konkreter Vorbereitung oder sind schon dabei beziehungsweise fertig. Das ist kein schlechtes

1Ergebnis.

Bei einem vom Senat errechneten Instandsetzungsbedarf von über 30000 Wohnungen in der westlichen Innenstadt ist diese Zahl nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Das ist der falsche Bezugsrahmen. Hamburg stellt im Jahr 20 Millionen Mark für Wohnungsmodernisierung zur Verfügung. Das reicht für 300 bis 500 Wohnungen pro Jahr. Davon bearbeiten wir einen hohen Anteil. Daß es darüber hinaus auch außerhalb der Sanierungsgebiete einen hohen Erneuerungsbedarf gibt, der größtenteils privat finanziert wird, ist ein ganz anderes Kapitel.

Das Sanierungstempo läßt sich also nicht steigern?

Baulich schon. Wenn man das Geld hat und die Firmen ranbekommt, läßt sich das Tempo beschleunigen. Doch Stadterneuerung kann ohne Ansätze der Gemeinwesenarbeit zur sozialen Stabilisierung eines Sanierungsgebietes nicht mehr zum Erfolg kommen. Das aber braucht Zeit, muß Schritt für Schritt mit allen Sanierungsbetroffenen entwickelt werden. Wir bilden uns nicht ein, auch der beste Sozialarbeiter für das Viertel zu sein. Wir versuchen aber, gemeinsam mit sozialen Einrichtungen, Mietern und Gewerbetreibenden kulturelle Konflikte in einem Viertel aufzuarbeiten und gestörte Nachbarschaften wieder zu reorganisieren. Wir haben gerade im Karo-Viertel in den 80er Jahren eine hohe Bewohnerfluktuation gehabt. Von gewachsenen Strukturen kann nicht mehr die Rede sein. Das wol-

1len wir verändern, indem wir die Mieter durch die Verbesserung der Wohnqualität dauerhaft an ihre Wohnungen binden und die soziale Infrastruktur verbessern.

Die Sanierung stockt aber auch, weil sanierungsbetroffenen Mietern während der Modernisierung ihrer Wohnung keine Ersatzwohnungen gestellt werden können. Die Steg scheint vor diesem Problem resigniert zu haben.

Man kann da nur gegensteuern, indem man verstärkt Neubauten in die Altbausubstanz einbaut. Diese Wohnungen könnten dann erstmal für die zeitlich begrenzte Umsetzung der sanierungsbetroffenen Mieter freigehalten werden. Wir dürfen keine Neubauten errichten und die privaten Investoren kommen nur schleppend voran. Wir sanieren aufgrund des Mangels an Ersatzwohnungen abschnittsweise. Das heißt, wir machen etwa die Hälfte der Wohnungen eines Gebäudes leer, sanieren sie und lassen dann die verbliebenen Mieter des Hauses dort erstmal einziehen, während ihre Wohnungen renoviert werden. Dadurch wird der Bau erheblich verzögert, weil ich zweimal von vorne anfangen muß. Städtebauliche Innenentwicklung ist aber immer zeit- und kostenintensiver als der Neubau von Siedlungen auf der grünen Wiese. Trotzdem ist sie für jede Großstadt lebenswichtig und muß nach den Prinzipien einer behutsamen Stadterneuerung geleistet werden. Sonst baut man sich ein riesiges soziales

1Konfliktpotential auf. In den Gebieten, wo wir von Anfang an die Planung betreuen, haben sich die sozialen und kulturellen Konflikte eher abgebaut als aufgebaut.

Nun muß die Steg den Spagat praktizieren, gleichzeitig als Bauherr, Vermieter und Anwalt der Mieterschaft zu fungieren. Massive Interessenkonflikte können da nicht ausbleiben.

In der Praxis ist es so, daß sich diese Konstruktion bewährt hat und es nie zu einem Rollenkonflikt gekommen ist. Der Interessenskonflikt wäre nur dann gegeben, wenn wir wie ein privates Wohnungsbauunternehmen frei finanziert bauen würden. Dann hätten wir Mietensprünge, die zur Verdrängung von Mietern führen. Wir liegen aber ganz am unteren Ende des Mietenspiegels, bei 6,50 Mark pro Quadratmeter. Probleme gibt es lediglich mit Mietern, die aus Prinzip nicht mit einem staatlichen Unternehmen kooperieren. Da würde dann aber auch keine unabhängige Mieterberatung helfen.

Die Steg ist nicht nur Vermieter und Mieterberater in einem, sondern auch noch der verlängerte Arm der Stadtentwicklungsbehörde, die die Mehrheit der Steg-Anteile hält. Die

1Steg ist für stärkere Bürgerbeteiligung bei Bauvorhaben, Sie aber haben sich verschiedentlich beklagt, daß Hamburgs Behörden nicht bereit sind, ein Prozent ihrer Macht an Betroffene abzugeben. Wird die Steg in diesem Konflikt nicht zwangsläufig zerrieben werden?

Wir agieren als Betrieb anders als eine Verwaltungsdienststelle. Wir wollen keine Gewinne erwirtschaften, sondern durch Sanierung soziale Probleme lösen. Wer dabei unser Gesellschafter ist, spielt im Arbeitsalltag keine Rolle. Wir versuchen die Aufgaben, die die Stadt uns übertragen hat, mit Beteiligung der Betroffenen zu erledigen. Diese Beteiligung, das heißt Entscheidungen auch beeinflussen zu können, ist für uns der einzige Weg, sozialen Fortschritt in den Sanierungsgebieten zu erzielen. Wir arbeiten also treuhänderisch, aber mit Abstand zur Verwaltung.

Nun sind Sie auch gleichzeitig Geschäftsführer der Hamburgischen Gesellschaft für Gewerbebauförderung (HaGG), die für die Ansiedlung von Gewerbe in den Sanierungsgebieten zuständig ist. Auch hier liegen massive Interessenskonflikte auf der Hand.

Diese Konflikte gibt es nicht. Die

1HaGG kann versuchen, für Kleingewerbe, für Künstler und Handwerksbetriebe Räumlichkeiten zu akquirieren, umzubauen und zu bauen. Für die Stadterneuerung eine ganz wichtige Funktion, da immer mehr Kleingewerbe aus der westlichen inneren Stadt verdrängt wird. Man darf Wohnen und Gewerbe nicht gegeneinander steuern, wenn man eine Stadtentwicklung aus einem Guß will. Deshalb ist es gut, wenn die Unternehmen, die beide Entwicklungsbereiche steuern, eng zusammenarbeiten.

Welche Rahmenbedingungen müssen sich ändern, um die Arbeit der Steg erfolgreicher zu gestalten?

Alle Fachbehörden der Stadt müssen sich stärker in die Erneuerung in den Sanierungsgebieten einklinken. Die Schul- und die Sozialbehörde müßten sich hier um die schulische und soziale Versorgung kümmern. Denn die Stadtentwicklungsbehörde und die Steg können nicht alle Probleme im Alleingang lösen. Da der Bund sich im nächsten Jahr aus der Städtebauförde-

Wir hätten uns nicht um Rote Flora kümmern sollen

rung zurückzieht, ist Hamburg stärker gefragt. Und wir müßten größere Kompetenzen bekommen, mehr vorbereitende Untersuchungen in der westlichen inneren Stadt durchführen können, um herauszufinden, wo Erneuerungsbedarf besteht. Es spricht viel dafür, daß wir auch für den Grenzbereich zwischen Ottensen und Bahrenfeld, das südliche St.Pauli zwischen Simon-von-Utrecht- und Holstenstraße und für Teile der Altonaer Altstadt dringend Erneuerungskonzepte brauchen. Das muß schnell geprüft werden.

Hat die Steg auch Fehler gemacht?

Das bleibt nicht aus. Wir hätten uns zum Beispiel nicht um die Rote Flora kümmern sollen. Wir haben uns mit unseren Gesprächsangeboten, welche die Flora-Nutzer überhaupt nicht interessiert haben, viel Kritik eingefangen. Wir waren am Anfang an dem Konflikt nicht beteiligt, konnten das Kind, das bereits in den Brunnen gefallen war, nicht mehr retten. Denn wir waren die einzigen, die auf Gesprächsbasis etwas weiterentwickeln wollten.

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