: Panić will Milošević kippen
■ Am Sonntag finden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Serbien und Montenegro statt
Belgrad (AP) – Mit der Wahl eines neuen Präsidenten entscheiden die Serben am Sonntag über Krieg oder Frieden im ehemaligen Jugoslawien. Als Hauptbewerber um das höchste Staatsamt in Serbien treten der Sozialist und Amtsinhaber Slobodan Milošević an, der von der internationalen Gemeinschaft für den Krieg in Bosnien-Herzegowina verantwortlich gemacht wird, und der Ministerpräsident von Jugoslawien, Milan Panić, der sich für eine unverzügliche Beendigung des Blutvergießens ausgesprochen hat. Gleichzeitig finden in Serbien und Montenegro Wahlen zu den Parlamenten des Bundes und der Länder statt. Auch in Montenegro wird ein neuer Präsident gewählt.
Insgesamt 7,4 Millionen Wähler sind aufgerufen, ihre Stimme abzugeben, davon sieben Millionen Menschen in Serbien und 420.000 in Montenegro. Die rund 10.000 Wahllokale werden von 07.00 bis 20.00 Uhr geöffnet sein. Damit die Abstimmung gültig ist, muß mindestens die Hälfte der Wahlberechtigten zu den Urnen gehen. Sollte von den Präsidentschaftskandidaten keiner die absolute Mehrheit erreichen, wird für den 3.Januar eine Stichwahl angesetzt.
Bei der Parlamentswahl in Serbien steht die regierende Sozialistische Partei, die aus der Kommunistischen Partei hervorgegangen ist, einem Oppositionsbündnis (DEPOS) gegenüber, dem die Serbische Erneuerungsbewegung und die Demokratische Partei angehören. Die Radikale Serbische Partei, die sich ebenfalls zur Wahl stellt, ist mit den Sozialisten verbündet. In Montenegro treten die Liberale Union und die Nationalpartei als Hauptkonkurrenten der regierenden Sozialdemokraten an, ebenfalls ehemalige Kommunisten. Insgesamt beteiligen sich 111 Parteien an der Wahl zum jugoslawischen Bundesparlament, 45 wollen im serbischen Abgeordnetenhaus vertreten sein.
Neben Panić und Milošević kandidieren in Serbien fünf weitere Politiker für das Amt des Präsidenten. In Montenegro treten gegen Präsident Momir Bulatović acht Bewerber an, darunter der Milošević-Verbündete Branko Kostić, der im ehemaligen Jugoslawien vorübergehend als amtierender Präsident fungiert hatte. Jüngste Umfragen hatten eine breite Zustimmung für Panić in der serbischen Bevölkerung ergeben, die den derzeitigen Präsidenten die absolute Mehrheit kosten kann, so daß es wahrscheinlich zur Stichwahl im Januar kommen wird. In Montenegro ermittelten die Meinungsforscher, daß die regierenden Sozialdemokraten eine Mehrheit zwischen 36 und 41 Prozent erhalten könnten.
Im Wahlkampf um die serbische Präsidentschaft hatte sich der jugoslawische Ministerpräsident Milan Panić, der 30 Jahre in den USA gelebt und dieses Amt erst im Juli übernommen hatte, als Anwalt des Friedens in Bosnien-Herzegowina dargestellt. Auf einer Veranstaltung erklärte er: „Wir wollen einen Staat, in dem Wahlen nicht über Leben und Tod entscheiden.“ Er plädiert für Kompromisse mit der internationalen Staatengemeinschaft hinsichtlich Bosniens, um die Vereinten Nationen zur Aufhebung der Sanktionen gegen Serbien und Montenegro zu bewegen. „Es stimmt nicht, daß der Rest der Welt gegen uns ist. Unsere wahren Feinde stehen in Belgrad“, sagte er.
Milošević lehnt Konzessionen an die UNO dagegen ab. Mit seinen Vorstellungen von einem gemeinsamen Staat für alle Serben hat er nach Meinung der internationalen Gemeinschaft die Kriege in Kroatien und Bosnien-Herzegowina angefacht. Die nationalistische Idee beschwor er erneut auf einer Veranstaltung zum Abschluß des Wahlkampfs in der von Serbien verwalteten Provinz Kosovo. Der zu neunzig Prozent von Albanern bewohnten Provinz hatte er 1990 die Autonomie aberkannt. Den 30.000 Serben, die zu der Veranstaltung gekommen waren, rief er zu: „Keine Sorge, wir werden Kosovo niemals aufgeben.“
In Montenegro spaltet die Haltung für oder gegen den gemeinsamen Bundesstaat mit Serbien die Bevölkerung, die Unionsgegner wurden im Wahlkampf behindert.
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