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Neuordnung nach "erprobten Methoden"

■ Die multinationale Intervention in Somalia wird möglicherweise Jahre andauern. Mit der "Befriedung" eines ganzen Landes kehrt faktisch die Kolonialära zurück

Neuordnung nach „erprobten Methoden“

„Deutschland erfüllte seine Pflicht, indem es für den Frieden Afrikas eintrat.“ Der Satz stammt von keinem deutschen CDU-Politiker und wurde auch nicht dieser Tage ausgesprochen, sondern ist nachzulesen in einer emotionalen Streitschrift, die der letzte Kolonialstaatssekretär des Deutschen Reiches, H.H.Golf, nach seiner Abdankung im Februar 1919 zur Begründung der imperialen Mission Deutschlands verfaßte. „Keine Militarisierung, keine Zwangsarbeit, keine Bedrückung, sondern Schulen, Ärzte, Erziehung zur Arbeit, Förderung des Landbaus, dazu Eisenbahnen, Wege zur Aufschließung des Landes!“ lautete Golfs Credo, das noch heute bei der Rechtfertigung eines Bundeswehrengagements in Somalia nachklingen könnte.

Mit dem geplanten Einsatz von 1.500 Bundeswehrsoldaten in Somalia fügt sich Deutschland in eine lange Reihe truppenentsendender Staaten ein, die von den USA bis Uganda reicht. „Wir sind der Meinung, daß sie (die Deutschen) außergewöhnlich effektive Arbeit leisten können, da sie viel Erfahrung in Somalia und insbesondere in der Ausbildung von Polizeikräften haben“, freute sich Herman Cohen, Afrika-Staatssekretär im US-Außenministerium, nach der Bonner Ankündigung.

Die anfängliche Zurückhaltung der USA gegenüber dem Umfang ihrer Mission, die sich noch Anfang dieser Woche in öffentlichem Dissens mit UNO-Generalsekretär Butros Ghali offenbarte, schmilzt nach zehn Tagen Einsatz dahin wie Schnee im Wüstensand. Es gebe „keine wirklichen Unterschiede“ mehr zwischen den USA und der UNO, sagte Cohen am Donnerstag; Waffen und Bewaffnete müßten unter Kontrolle gebracht werden. Wenn die Amerikaner in Zonen, wo sie für Sicherheit sorgten, auf Waffen stießen, würden sie diese beschlagnahmen.

Während die humanitäre Komponente der US-Mission – nämlich die Lieferung von Hilfsgütern – nur sehr langsam vonstatten geht und größere Lebensmittelverteilungen noch auf sich warten lassen, haben die Amerikaner politisch eine deutliche Position bezogen. Bei einer Kongreßanhörung am Donnerstag nannte Cohen klare Erfolgskriterien für die USA: „Wenn die betroffenen Regionen im Süden Somalias befriedet sind; wenn es in dem Gebiet keine größere Bedrohung durch bewaffnete Gruppen gibt; wenn der Transport humanitärer Hilfe zur Routine geworden ist und der Hunger abklingt“ – dann könnten die USA wieder aus Somalia abziehen. Der Staatssekretär ging noch weiter: „Eine lokale Polizei muß etabliert sein; die wichtigen militärischen Gruppen müssen Rüstungskontrollabkommen aushandeln, so daß sie kein gefährlicher Faktor mehr sind; und der Ansatz einer neuen Regierungsstruktur muß ausgehandelt sein.“ Eine nachfolgende UNO-Blauhelmtruppe müsse „zu jedem Zeitpunkt stärker sein als jede potentielle Bedrohung durch bewaffnete Banditen, die von ihren Verstecken jenseits der Grenze zurückkehren könnten.“

Das wird lange dauern. Die Amerikaner gehen derweil mehrgleisig vor: Sie setzen sowohl auf lokale Verhandlungen mit einzelnen somalischen Kriegsführern wie auch auf regionale Konzepte, die das gesamte Horn von Afrika einbeziehen. Vor dem Einmarsch der US-Amerikaner und Franzosen in der südsomalischen Stadt Baidoa am Mittwoch sprach US- Sonderbeauftragter Robert Oakley mit den Gruppen, die den dortigen Flughafen kontrollierten. Er vereinbarte, daß diese vor der Ankunft der Marines ihre Waffen in ein Flugplatzgebäude einschließen und dann friedlich und unbehelligt die Stadt verlassen sollten. Ähnliche Gespräche sind derzeit in der weiter südlich gelegenen Hafenstadt Kismaju im Gange, wo in den letzten Tagen bittere Kämpfe tobten.

Die US-Verhandlungslinie in Kismaju: Bis zum Abend vor einem US-Einmarsch sollen alle Fahrzeuge mit schweren Waffen – im Jargon Technicals genannt – die Stadt verlassen, und nachts soll niemand mit Waffen auf die Straße gehen. Dies mag Erfolg haben – doch, so Militärsprecher Fred Peck, Kismaju ist nur eine von fünf südsomalischen Städten, die von den USA als Ziel auserkoren wurden.

Im regionalen Zusammenhang ist die US-amerikanische Regierung derzeit bestrebt, seinen Verbündeten Äthiopien miteinzubeziehen. Die äthiopische Regierung soll eine größere Anzahl von schweren Lastwagen an das UNO- Welternährungsprogramm in Somalia ausleihen, um Hilfsgüter zu transportieren; am vergangenen Mittwoch wurden die ersten zwanzig von Addis Abeba nach Mogadischu geflogen. Heute sollen sie nach Baidoa aufbrechen – mit äthiopischen Fahrern. Das könnte für diejenigen somalischen Gruppen, die sich über die Bereitstellung von Fahrern für Hilfstransporte finanzieren, ein Angriffsgrund sein.

Das amerikanische Vorgehen ist eine Politik der kleinen Schritte, und sie ist langfristig angelegt. US- Militärsprecher in Somalia reden mittlerweile davon, größere Militäraktionen könnten kaum vor dem Frühjahr stattfinden. „Wir werden frühestens zu Thanksgiving (November 1993) wieder nach Hause gehen“, sagte ein hoher Offizier einer US-Zeitung. „Aber viele von uns werden zwei Weihnachtsfeste in Afrika verbringen.“

Aber was wäre eine mehrjährige ausländische Militärpräsenz, die das Gewaltmonopol anstrebt, anderes als eine Wiederkehr der Kolonialzeit – diesmal unter multinationaler Ägide? So realisieren sich doch die Träume des Kolonialstaatssekretärs Golf. War doch Afrika für ihn „ein weites Feld, das im friedlichen Wettbewerb der Kulturnationen nach den erprobtesten Methoden aus einer vernachlässigten Wildnis in eine Folge blühender Äcker verwandelt werden wird.“ Dominic Johnson

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