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Lichtspur bekommt mehr Leuchtkraft

■ Trotz Skepsis: Flüchtlingsinitiativen wollen mitmachen, damit auch Innensenator Heckelmann „erleuchtet wird“

Berlin. Berlin wird am 25. Dezember ab 18 Uhr zwischen Lustgarten und Theodor-Heuss-Platz leuchten. Unter dem Motto „Ein Licht für die Vernunft, gegen Gewalt, Rassismus und Antisemitismus“ haben eine Reihe von Berliner Medien, darunter die taz, Zitty, Berliner Zeitung, Neues Deutschland, BZ, Bild, Berliner Kurier und die privaten Rundfunksender, Inforadio, RS 2, Berliner Rundfunk, Radio Energy und RTL 104,6, ihre Leser und Hörer aufgefordert, zur Lichterkette zu kommen. Auch außerhalb der Medien stößt die Lichtspur auf positive Resonanz. Christiane Bretz, Vorsitzende des DGB-Landesbezirks Berlin-Brandenburg, hat angekündigt, an ihr teilnehmen zu wollen, ebenso Wirtschaftssenator Meisner (SPD) und Jugendsenator Thomas Krüger (SPD). Ebenfalls mit dabei sind einige der Künstler, die zur Erinnerung und Mahnung an die Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar eine Lichtspur durch Berlin ziehen wollen. Der Kabarettist Martin Buchholz erklärte gegenüber der taz: „Ich werde auch am ersten Weihnachtsfeiertag zur Ost-West-Achse kommen, unsere Initiative ist in keinster Weise eine Konkurrenzveranstaltung.“ Hans Elvers vom interkulturellen Zentrum Babylon freut sich auf die Lichterkette: „Wir müssen den Rechtsextremisten immer wieder zeigen, daß sie in der Minderheit sind.“ Daran teilnehmen will auch Traudl Vorbrodt vom Flüchtlingsrat und Mitarbeiterin beim „Asyl in der Kirche“. Sie hofft, daß viele Lichter auch „endlich einmal den Innensenator Heckelmann erleuchten“. „Es kann nicht angehen“, sagt sie, „daß wir mit Kerzen auf die Straße gehen und die Ausländerbehörde die Menschen abschiebt.“ Fünf akute Fälle liegen ihr auf dem Tisch. Krassestes Beispiel: Der Innensenator möchte einen schwerkranken und in der Heimat verfolgten Syrer, einschließlich der fünf Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren, abschieben. Er kam 1990 nach Berlin, nachdem seine Frau in einem „psychiatrischen Gefängnis“ vermutlich ermordet wurde. Die ärztlichen Gutachten, einschließlich des Behandlungszentrums für Folteropfer, attestieren Suizidgefahr. Amnesty international setzt sich für ein Bleiberecht ein, die Ausländerbehörde hat bisher alle Einwände vom Tisch gewischt. Angesichts solcher Fälle findet sie es geradezu „lächerlich“, es nur bei Kerzen in den Fenstern zu belassen, „wo die ganze Stadt doch schon seit Wochen wie ein Puff aussieht“.

Das Signal „Lichter in die Fenster“ wird vom Tagesspiegel und der Berliner Morgenpost favorisiert, wenn auch nicht als Konkurrenzveranstaltung begriffen. Ähnlich wie Traudl Vorbrodt argumentieren auch andere Flüchtlingsinitiativen. „Wenn man zehnmal auf die Straße gegangen ist, um gegen Rassismus zu protestieren“, sagt Klaus Henrich vom Antirassistischen Zentrum der FU, dann „kann ich beim elften Mal nicht wegsehen, wenn ein Asylbewerberheim angezündet wird.“

„Toll, daß auch Berlin eine Lichterkette zustande bringt“, sagen die Redakteure von Hürriyet. Die türkische Tageszeitung hat in den vergangenen Tagen mehrfach ihre Leser über die Aktion informiert und will dies auch weiterhin tun. Auch die Daily Mail hat mehrfach Berichte über die „Lichterkettenbewegung“ nach London gefaxt und wird die Berliner Lichtspur journalistisch begleiten. Redakteur Michael Kallenbach hält es für eine „prima Idee“, am ersten Weihnachtsfeiertag auf die Straße zu gehen.

Mit einer Lichterkette ging am Samstag das Bürgerfest „Gemeinsam leben in Pankow“ zu Ende. Eine Kunstaktion gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit verschönt seit Samstag den weltberühmten Pergamonaltar. Der in Chile geborene Künstler Alfredo Jaar hat auf den Stufen der Altartreppe in Neonschrift die Namen deutscher Städte montiert, in denen in den letzten Monaten rechte Gewalt und Fremdenhaß eskalierten. Anita Kugler

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