: Erneut Bedenkliches
Der derzeit berühmteste deutsche Ehrenwortgeber ist Barschel, und dem ist dasselbe nicht gut bekommen. Möglicherweise hält den guten Möllemann die Wasserscheu zurück, eine Ehrenerklärung zur Briefpapieraffaire abzugeben, vielleicht wirkt aber auch der Umstand, daß er passenderweise in einem Einkaufswagen, möglichst mit Chip im halboffenen Mund, als Stern- Titelbild fungieren müßte, mäßigend auf den anderen Sitzkomfort Gewöhnten ein. (Was so ein echter Maßanzug ist, das läßt sich nicht gern vergittern.) In keinem Fall ist überraschend, daß der Jürgen von der FDP sich bei der jüngsten Peinlichkeit, welche der Vetternwirtschaft überraschend buchstäblichen Gehalt verleiht und auf der nach oben hin offenen Möllemann-Skala den bisher zweithöchsten Wert erreicht, aufs Durchhalten und Schönreden beschränkt. Den Durchschnittswählern jedenfalls ist seine 'Da kommen wir schon durch!‘-Mentalität von den großflächigen Anzeigentafeln her bereits bekannt, auf denen er mit Sachverstand und Schnurrbart sowie auf Steuerkosten den Mittelstand zum Lehrstellenanbau aufforderte und das Ganze als Vierfarb-Aktion für den sogenannten 'Aufschwung Ost‘ verkaufte. Von dem redet nun schon niemand mehr, und auf eine vergleichbare Amnesie wird der Schatten der Kasse des Vetters wohl auch diesmal rechnen. Wäre unser sinistrer Minister noch Vorsitzender der Deutsch- Arabischen Freundschaftsgesellschaft, könnten wir nun zu einer Basari-Sottise den Degen ziehen. So aber bleiben wir deutschenfeindlich: Während (der allerdings angeheiratete) Vetter Appelhoff mit dem verschmunzelten Halbsatz „Beziehungen sind das halbe Leben ...“ seinen familialen Text schon gesprochen hat, werden wir auf Möllemanns Abgesang mit Abschwung noch lange warten müssen – es sei denn, einer seiner handverlesenen und auffallend fähigen Mitarbeiter käme auf die naheliegende Idee, auf den offenbar leicht zugänglichen blanko unterschriebenen Briefbögen des Wirtschaftsministers dessen Rücktrittsgesuch zu formulieren und flugs an die Presse zu geben. Mit einem Grammatikfehler und einer schweren Beleidigung darin, werden wir diesen Text nur allzu gern für glaubwürdig erklären. ES
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