: Erich Honecker: Silvester in der Zelle
■ Haftbefehl bleibt, Verfahren wird nicht eingestellt Gericht: Verhandlungsfähigkeit bestätigt
Berlin (dpa/taz) – Nervenkrieg am elften Verhandlungstag im Honecker-Prozeß bis zum gestrigen Abend: Nach rund acht Stunden entschied dann das Berliner Landgericht, daß der 80jährige an Leberkrebs erkrankte Angeklagte weiterhin in Haft bleibt. Das Verfahren gegen ihn wird nicht eingestellt. Er sei derzeit noch verhandlungsfähig. Auch die Prognose, daß Honecker den Prozeß nicht durchstehen könne, habe noch nicht den genügenden Grad an Wahrscheinlichkeit erreicht. Zur Begründung seiner Entscheidung sagte der Vorsitzende Richter der Strafkammer, Hansgeorg Bräutigam, ausschlaggebend seien auch Art und Schwere der Tatvorwürfe. Die derzeitige Prognose zum Gesundheitszustand Honeckers reiche nicht aus, die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates zur Strafverfolgung zurückzudrängen. Der nächste Verhandlungstag wird der 4.Januar 1993 sein.
Honecker-Anwalt Wolfgang Ziegler nannte die Entscheidung „unmöglich“. Die Anwälte würden nun das Berliner Kammergericht anrufen.
Zuvor hatte die Verteidigung erneut nachdrücklich die Einstellung des Verfahrens gegen ihren Mandanten gefordert. Rechtsanwalt Nicolas Becker warf der Staatsanwaltschaft, die dem widersprochen hatte, „unerbittliche deutsche Gründlichkeit“ vor. Honeckers zweiter Verteidiger Wolfgang Ziegler äußerte: „Es kann nicht sein, daß der Gerichtssaal zum Sterbezimmer wird.“ Die Ärzte hätten eine eindeutige Diagnose gegeben, daß der Leberkrebs Honeckers bösartig sei und schnell wachse.
Oberstaatsanwalt Bernhard Jahntz betonte, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit werde die Verhandlungsunfähigkeit nicht in Kürze eintreten. In der Anhörung der Sachverständigen habe der Krebsspezialist nur noch die Wahrscheinlichkeit, daß Honecker den Herbst 1993 nicht mehr überstehen werde, mit 60 Prozent angegeben. Seite 2
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