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Vox, wer hat den Sinn gestohlen

■ Clip-Stakkato aus Köln: Eigenwerbung als Probelauf

Hartnäckigen TV-Junkies bietet sich derzeit die Möglichkeit, als kleinen Happen zwischendurch den als Endlosschleife durchlaufenden Werbeclip des neuen Privatkanals Vox anzutriggern. Am 25.Januar will „Das Ereignisfernsehen“ aus Köln auf Sendung gehen. Der Probebetrieb läuft, mit markigen Trailern, deren Ästhetik Greenaway und MTV verpflichtet ist, und die die Nation richtig scharf machen auf das, was da bald kommen soll.

Vox will ein Vollprogramm bieten. Sport, Serien, Spielfilme sind obligat, Talk-Shows unvermeidlich, und auch ein Erotikmagazin mit dem Titel „liebe sünde“ fehlt nicht – auch wenn der Anheiz-Clip zu „liebe sünde“ mittlerweile gekappt worden ist. „Nicht harmlos, sondern spannend geht Vox in Serie“, verkündet die Stimme aus dem Off und bereitet den Boden für brachial betitelte Sendungen wie „Nachmittalk“, „Punkt Vox“ oder „Vox populi“, in lepröser Syntax angekündigt als „die Sendung für und mit den Leuten auf der Straße“. „Früher“, so trommelt es lauthals auf uns ein, „war Fernsehen nicht gerade affengeil, sondern eher tierisch – tierisch langweilig. Doch jetzt kommt endlich Freude auf.“ Programmdirektor Ruprecht Eser gibt seinen frommsten Wunsch zum besten: „Daß wir in einem Jahr so weit sind, daß die Leute sagen, jawoll, die können es im Informationsbereich genau so gut wie ARD und ZDF.“

Zumindest, was die Kinoberichterstattung betrifft, braucht er sich da keine Sorgen zu machen. Der Vorgeschmack auf die Sendereihe „Filme, Stars, Video“ läßt wenig Zweifel daran. So weiß die launige „neue Stimme am Nachrichtenhimmel“ Über den Whoopi-Goldberg-Film „Sister Act“: „Regisseur Emile Ardolino, der schon ,Dirty Dancing‘ inszenierte, schickt seine Heldin auf der Flucht vor Mafiakillern ins Kloster.“ Was hinreichend Anlaß gibt zu der Vermutung, daß die Aufgabenverteilung zwischen Drehbuchautorin und Regisseur noch nicht ganz verstanden wurde. Eingedenk der noch zu erwerbenden filmtechnischen Grundkenntnisse verlassen sich die Vox-Leute lieber auf die auch anderweitig bereits bewährte, nichtssagende Mischung aus Filmfetzen, Interviewschnipseln und vom Distribuenten gern frei Haus gelieferten Drehberichten. Das spart nicht nur Geld, sondern auch die Mühe, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Einen guten Rat gibt der Amüsementtheoretiker Neil Postman den RedakteurInnen des absehbaren „Medien Journals“ auf den Weg: „I think you need to do something about the economic structure of television, the popular literature of television would be in order...“ In der knapp vorbeigelungenen Vox-Übersetzung: „ich denke, ihr solltet etwas über den einfluss der wirtschaft auf das fernsehen bringen. über die wirklichen drahtzieher – die entwicklung des fernsehens – die tatsächliche sprache des fernsehen.“ Herr Dittmeyer

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