Amnestie und Amnesie im Weißen Haus

■ Bush begnadigt sechs Hauptfiguren im Iran-Contra-Skandal

Washington (taz) – Die Geste kam passend zu den Festtagen. Nicht nur, weil sechs ehemals hochkarätige Politiker und Beamte über das Geschenk aus dem Weißen Haus strahlten wie Kinder vor dem Christbaum: Der Präsident verschenkte frisch gewaschene weiße Westen.

Das Timing war gut gewählt, weil Opposition und Presse daheim „Merry Christmas“ oder „Happy Chanukka“ feierten.

So hielt sich der Aufschrei in Grenzen über den Skandal, der einen anderen Skandal beenden soll: Kurz vor Ende seiner Amtszeit hat George Bush den ehemaligen Verteidigungsminister Caspar Weinberger sowie fünf weitere Hauptpersonen im Iran-Contra-Skandal amnestiert – und damit die jahrelangen Ermittlungen eines eigens eingesetzen Staatsanwalts mit einem Federstrich erledigt.

Das Begnadigungsrecht

Begnadigungen und Amnestien auszusprechen, ist eine Geste der Versöhnung und der politischen Souveränität des Staatsoberhaupts. Abraham Lincoln hat sie 1863 gezeigt, als er die Soldaten der Konföderierten amnestierte, Jimmy Carter gewährte gleiches den Kriegsdienstverweigerern aus dem Vietnamkrieg. Wen Gerald Ford versöhnen wollte, als er 1974 Richard Nixon durch eine Amnestie vor strafrechtlichen Konsequenzen aus dem Watergate-Skandal schützte, kann sich jeder selber denken. Ford – das muß man ihm zugute halten – wußte allerdings, daß ihm dieser Schritt eher schaden als nutzen würde.

Die Amnestie gegen Angeklagte und rechtskräftig Verurteilte im Iran-Contra-Skandal hingegen ist die Dienstleistung eines Regierungschefs an der eigenen Klientel – mit einer gehörigen Portion Eigeninteresse: George Bush ist offenbar fest davon überzeugt, daß ihm dieser Schritt zum Vorteil gereichen wird. Nicht nur, weil er nun guten Gewissens Caspar Weinberger zum Seniorengolf nach Kennebunkport einladen kann – sofern die beiden Wert auf die Gesellschaft des anderen legen. Bush hofft, daß seine Amnestie jene Amnesie beschleunigt, die in Sachen Iran-Contra schon lange eingesetzt hat und demnächst wohl auch den „Iraqgate“-Skandal ereilen wird. Bush möchte als Übergangspräsident in die Geschichtsbücher eingehen, als einer, der den letzten Krieg im alten Stil – gegen den Irak – gewonnen, und die erste Militärintervention unter dem Banner des Humanismus – in Somalia – begonnen hat. Von Iran- Contra oder Iraqgate soll nicht einmal eine Fußnote übrigbleiben – geschweige denn ein Strafprozeß.

Ermittlungen gegen Bush

Ob die Rechnung aufgeht, liegt nicht nur an der Hartnäckigkeit des unabhängigen Staatsanwalts Lawrence Walsh, sondern auch am neuen US-Kongreß. Dessen demokratische Mehrheit kann zwischen politischem Opportunismus und Selbstachtung wählen: ersteres hieße, mit den Republikanern gemeinsam Iran-Contra zu beerdigen. Als Gegenleistung könnte dafür zum Beispiel die reibungslose Bestätigung der neuen Kabinettsmitglieder herausspringen. Letzteres hieße, die Amnestie zum Gegenstand einer parlamentarischen Untersuchung zu machen. Schließlich geht es hier um Politiker, die nicht nur Gesetze des Kongresses verletzt, sondern auch das Parlament nach Strich und Faden belogen haben.

Lawrence Walsh jedenfalls wird wahr machen, was er angekündigt hat: seine Ermittlungen auf George Bush zu konzentrieren. Walsh, der seit Jahren in der 1986 aufgeflogenen Affäre um heimliche Waffenlieferungen an den Iran im Austausch gegen Geiseln im Libanon und der ungesetzlichen Umleitung von Profiten aus diesen Geschäften an die Contras in Nicaragua untersucht, hält Bush vor, er habe möglicherweise den Ermittlungsbehörden „illegal“ Dokumente vorenthalten.

Denn eines kann der zukünftige Ex-Präsident nicht: sich prophylaktisch selbst begnadigen. Andrea Böhm