Libanon lehnt Vorschlag Israels ab

Versorgung der gestrandeten Palästinenser weiter unklar/ Rabin zu kleinen Gesten bereit/ Druck aus den USA/ Neue Proteste gegen Deportationen/ Kritik am Friedensprozeß  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Der Libanon hat am Dienstag das Angebot der israelischen Regierung zur Versorgung der 415 aus den besetzten Gebieten nach Südlibanon deportierten Palästinenser abgelehnt. Dies teilte ein Berater von Ministerpräsident Rafik Hariri in Beirut mit. Das Angebot Israels enthalte „nichts Neues, was Libanon erlauben würde, seine Einstellung zu ändern“, hieß es weiter. Die libanesische Regierung wollte UN-Sonderbotschafter James Jonah ihre Einstellung mitteilen.

Israel hatte sich am Dienstag bereit erklärt, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) die einmalige medizinische Versorgung der Palästinenser zu erlauben, falls Libanon danach regelmäßig Hilfslieferungen über das von ihm kontrollierte Gebiet passieren ließe. Das Zugeständnis steht in krassem Widerspruch zu der früheren strikten Ablehnung, irgendeine Rote-Kreuz-Lieferung für die Palästinenser durch israelisches Gebiet zuzulassen. Das Angebot erfolgte angesichts des täglich wachsenden internationalen Drucks auf Israel, vor allem aus den USA und Westeuropa. Gleichzeitig hofft die Regierung in Jerusalem, eventuelle neue Sicherheitsrats- oder gar Sanktionsbeschlüsse zu vermeiden.

Zuvor hatte die US-Administration Israel dazu aufgerufen, den Transit von humanitärer Hilfe an die Deportierten zu ermöglichen und internationalen Organisationen die sofortige Versorgung der Gestrandeten mit Nahrungsmitteln und Medikamenten von Israel aus zu gestatten. Eine Bitte aus Paris, den Durchgang französischer Hilfsärzte zu den Deportierten zu erlauben, lehnte die israelische Regierung ab.

Militärsprecher in Israel gaben inzwischen öffentlich zu, daß bei der Auswahl der Deportierten „Fehler“ unterlaufen sind und daß mindestens 10 (aber möglicherweise auch 16) der deportierten Palästinenser irrtümlich ausgewiesen wurden. Schuld an diesem versehen sei die Eile gewesen, mit der die Vertreibung beschlossen und durchgeführt wurde. Die Westjerusalemer Organisation für Bürgerrechte forderte unterdessen das Oberste Gericht auf, die Deportationsbefehle gegen die „irrtümlich Ausgewiesenen“ sofort aufzuheben und ihre Rückkehr unverzüglich zu ermöglichen. Die Organisation weist darauf hin, daß bereits am Deportationstag, als die Busse mit den gefesselten Deportierten auf die Entscheidung des Gerichts warten mußten, 35 der 415 Deportationskandidaten seitens der Militärbehörde „ausgewechselt“ wurden. Bei einer neuerlichen Protestversammlung linker und liberaler Organisationen gegen die Deportationen in Tel Aviv forderte ein führendes Mitglied der Koalitionspartei Meretz, Rechtsanwalt Mordechai Wirschuvski, von seinen Vertretern in der Regierung, in einer öffentlichen Erklärung klarzustellen, daß ihre Unterstützung der Deportation ein bedauernswerter, schwerer Fehler war.

Demgegenüber sagte Yael Dayan, Knessetmitglied der Arbeitspartei, man könne von der Regierung Rabin nicht erwarten, die Ausweisungen zurückzunehmen. Die Protestbewegung könne bestenfalls erreichen, daß die Ablehnung humanitärer Hilfe aufgehoben wird. Außerdem könnten diejenigen unter den Palästinensern, die sich bereit erklären, bei den Militärbehörden Berufung einzulegen, aus der Verbannung zurückkehren.

Zwei prominente Mitglieder der palästinensischen Verhandlungs- beziehungsweise Beraterdelegation, Ghassan el-Khatib und Sari Nusseibeh, die bei Protestversammlungen als Gäste anwesend waren, erklärten, daß eine Fortsetzung des Nahost-Friedensprozesses nur möglich sei, wenn die Deportationen rückgängig gemacht werden. El-Khatib wies in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Deportationen von Führern der innerpalästinensischen Opposition dazu geführt hätten, daß sich heute bereits eine Mehrzahl der Palästinenser mit den Gegnern der Friedensverhandlungen solidarisiert.