: Politisches Aus für Collor
■ Brasiliens Senat: Acht Jahre keine politischen Ämter
Brasilia (AFP) – Der brasilianische Senat hat dem zurückgetretenen Präsidenten Fernando Collor de Mello am Mittwoch mit großer Mehrheit verboten, in den kommenden acht Jahren politische Ämter auszuüben. 76 Senatoren stimmten für eine formelle Amtsenthebung Collors und nur drei dagegen. Der 43jährige Collor war am Dienstag zurückgetreten, um damit dem achtjährigen Verbot politischer Arbeit zuvorzukommen. Übergangspräsident Itamar Franco war daraufhin als neuer Staatschef vereidigt worden. Der Senat begründete das Verbot politischer Ämter für Collor mit Verstößen gegen die Staatssicherheit. Außerdem habe der Ex-Präsident Korruption innerhalb seiner Regierung geduldet und sich selbst daran bereichert. Der Anwalt Collors, Jose de Moura Rocha, kündigte Einspruch gegen die Senatsentscheidung beim Obersten Gerichtshof an.
De Moura Rocha erklärte zur Begründung, der Senat habe nach dem Rücktritt Collors nicht mehr die Befugnis gehabt, eine Entscheidung über eine Amtsenthebung zu fällen. Die Senatoren hatten nach dem Rücktritt Collors mit großer Mehrheit beschlossen, das Verfahren zur formellen Amtsenthebung Collors fortzusetzen.
Der Senat hörte vier Zeugen der Verteidigung. Ein fünfter Zeuge konnte wegen Krankheit nicht aussagen. Der Anwalt Collors beantragte daraufhin eine Verschiebung der Senatsentscheidung, was jedoch abgelehnt wurde. De Moura Rocha wertete dies als erneute „Beschneidung des Rechts auf Verteidigung“.
Nach seinem Rücktritt ist nun auch der Weg frei für das juristische Verfahren gegen Collor nach allgemeinem Strafrecht. Dem Ex- Präsidenten drohen bis zu acht Jahren Haft wegen Bestechlichkeit und Gründung einer kriminellen Vereinigung. Das Verfahren soll nach Angaben des Präsidenten des Obersten Gerichts, Sydney Sanches, im Februar beginnen. Sanches wies darauf hin, daß Collor trotz des im Februar bevorstehenden Prozesses ins Ausland reisen dürfe. Collors Verteidiger hatte am Dienstag angekündigt, der ehemalige Staatschef werde das Land verlassen. Dies war jedoch wenig später von Collors Sprecher dementiert worden.
Collor war am 2.Oktober vorläufig von seinem Amt entbunden worden, nachdem ihn das Abgeordnetenhaus mit überwältigender Mehrheit für schuldig befunden hatte, Millionensummen aus einem mutmaßlich von seinem Wahlkampfmanager Paulo Cesar Farías aufgebauten Korruptionssystem erhalten zu haben. Das größte Land Südamerikas wurde seitdem kommissarisch von Vizepräsident Franco regiert.
Franco, der bis zum 1.Januar 1995 amtieren wird, muß sich nun die Unterstützung der Parteien sichern. Bisher hat sich lediglich die Brasilianische Sozialdemokratische Partei offiziell auf die Seite Francos gestellt. Der ehemalige Präsident José Sarney von der Partei der Demokratischen Bewegung Brasiliens (PMDB) sprach sich ebenfalls für die Unterstützung Francos aus. Die Arbeiterpartei, die die Kampagne gegen Collor unterstützt hatte, lehnte eine direkte Beteiligung an der Regierung Franco ab.
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