: Gaudi, Kathi, Lippi, Thommi
■ Das Fernsehjahr 1992 – Von unserem Herrn Dittmeyer nach Alphabet sortiert und abgelegt
ARD – Das öffentlich-rechtliche Ungetüm wirbt nun seinerseits den Privaten die Fachkräfte ab, zum Beispiel den RTL-Mann Björn Schimpf. Wir dürfen in aller Bescheidenheit anmerken, daß bereits im Frühjahr 1990 auf der taz- Medienseite ein Portrait des Journalisten und Moderators erschien, der hier ahnungsvoll als „Kulenkampff der 90er“ tituliert wurde. Ende des ersten Eigenwerbeblocks.
Beverly Hills 90102 – Da ist man doch dankbar, daß man nie so jung sein mußte.
Couchpotato – Fürchterlich wurde in dieser Zeitung auf Dan Quayle eingegeißelt ob seines Unvermögens, das Wörtchen potato zu buchstabieren. Da aber stieg Schamröte über der Kochstraße auf, und die KorrespondentInnen vergossen bittere Tränen. Denn: Die schärfsten Kritiker der Strolche, die waren früher ebensolche. (Und hatten das mit dem „o“ und „e“ auch nicht immer drauf.)
Daily Soap – „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“? Letzteres. Ganz eindeutig letzteres.
Erotikwunschfilm – Der Fake des Jahres. Wie Testanrufe zuverlässiger Gewährsfrauen ergaben, waren bei RTL gar keine Leitungen geschaltet.
FilmFilm – HaueHaue, WatscheWatsche und dreifach PrügelPrügel für diese haarsträubende Sat.1-Wortschöpfung.
Gaudimax – Was hierzulande als Humor verkauft wird, läuft im Ausland unter „Horror“.
Hilde, die wilde (RTL) – Gar so einfach läßt sich ein Original wie die göttliche Teufelin „Elvira“ eben doch nicht kopieren.
Informationspflicht – Als die US-Marines in Somalia auf Hungertuchfühlung gingen, waren die Kamerateams schon da und hielten den Strand besetzt. Dittmeyers Vorschlag:
Beim nächsten Mal die Militärs ganz weglassen und nur noch die schnellen Pressekommandos schicken: „Sofort die Waffe fallen lassen! Oder es gibt ein Titelbild auf dem Stern!“ „Gnade! Nur das nicht“...
Jägerlatein – Nämliches wird der begeisterte taz-Leser Heinz Klaus Mertes künftig im privaten Bereich zum besten geben. Nämlich auf Sat.1.
Kronzucker, Dieter – Erwies sich nicht als Kronzuckerstückchen in der Sat.1-Melange. So schickten die Verantwortlichen ihren teuer eingekauften Quotenjungen in die weite Welt hinaus...
L.A. Law – Die lobenswerterweise derzeit von RTL wiederholten frühen Episoden der Anwaltsserie belegen anschaulich, daß der späte Jimmy Smits die lichte Stirn mit einem Toupet umkleidet. Womit Dittmeyer beinahe eine Wette gewonnen hätte.
Monty Python's Flying Circus – Das wollen wir doch schnell noch festgehalten haben: Daß nämlich der geziert und gespreizt den Kenner markierende Windbeutel Denes Törzs einige Wochen brauchte, ehe ihm der Name der Pythons korrekt über die Charme-Lippen kam.
Niedlich –... sind die Fernsehleutchen, der Thommi und der Lippi, die Kathi und die Gaudi. Diesseits lungert der Zuschauer. Ein drolliger Dummi?
Oswalt – Totgeglaubte leben länger. Und 1993 oswaltet Kolle kregel weiter. Natürlich auf RTL.
Pro7 – Bekommt unbedingt den undotierten „Dittmeyer Advanced Advertising Award“ für die Eigenwerbung: „Die Gesichter des Grauens – wir zeigen sie alle.“
Quark – Public Enemy sei, so Alfred Biolek in „Boulevard Bio“, eine englische Neonazi-Band. Yo! Und Roberto Blanco ist der neue Führer.
RTLplus – Heißt jetzt nur noch RTL. Aber für das neue Logo im Frühsiebziger-Qietschbuntdesign gibt's ein weithin sichtbares Minus.
Schrecklich nette Familie, eine – Selbst der sonst angenehm zurückhaltende Gong definierte die Serie Ende November als „Fernseh- Kult“, jede pupsige Stadtillustrierte entdeckt die Bundy-Fanclubs als zeitgeistgemäß. Was alle verschweigen: Es hat bis zum zweiten Durchlauf gedauert, ehe die Masse auf den Geschmack kam. Die taz dagegen hatte die Nase im Wind und machte frühzeitig auf den anarchistischen Familienclan aufmerksam. Ende des zweiten Eigenwerbeblocks.
Tele5 – Könnte sich, nach Umwandlung des Senders in einen Sportkanal, bitte einer der Mitbewerber erbarmen und die Ausstrahlung der Serie „Polizeirevier Hill Street“ übernehmen?
Umbesetzungen – Aus Österreich kommt Barbara Stöckl, um Elke Heidenreich in der ZDF- Talkshow „live“ zu ersetzen. Elke wiederum wird Gastgeberin einer Schweizer Redeshow. Noch unklar: Wen schicken die Schweizer im Rahmen des europäischen Moderatorenaustauschs nach Österreich?
Volkstheater – Nimmt ungehemmt Überhand und kommt zumeist bayerisch daher. Da versteht das Nordlicht keinen Spaß. Als Hauptvertreter des Genres geriert sich „Theater-Stadl“ – Besitzer Peter Steiner sen., der uns gleichermaßen als Moderator der RTL- Sendung „Die Heimatmelodie“ behelligt.
Die fröhlichen Miesmacher vom Konkurrenzkanal Sat.1 reagieren auf den Erfolg des allgegenwärtigen Brauchtumbewahrers auf eigene Art und zeigen 1993 eine „Peter-Steiner-Reihe“ mit den schönsten Kinoauftritten des verwegenen Volkshelden und Fickfilmdarstellers, darunter prunkelnde Werke der Kinematographie wie „Zum Gasthof der spritzigen Mädchen“ oder „Flotte Biester auf der Schulbank“. Das ist die Art von Humor, die im Hause Dittmeyer gern zur Kenntnis genommen wird.
Wontorra – Irgendwie muß es am Kontext liegen – aus einem halbwegs ansehnlichen Sportmoderator wurde ein strapaziöser Hans-Krampf-in-allen Gossen.
Xtra Large – Erst die grandiose Schlußepisode von „Miami Vice“ – und dann Philip Michael Thomas als debiler Grimasseur an der Seite von Bud Spencer. Das nennt man Fallhöhe.
Yin und Yang – Wollen naturgesetzmäßig einander zugeführt werden, im globalen Kral selbstverständlich TV-vermittelt. Ergo herzblatteln die TraumhochzeitskandidatInnen am „Flitterabend“, buhlen um die bessere Hälfte, bewältigen öffentlich „First Love“- Erlebnisse oder organisieren „Je t'aime – Wer mit Wem“?, den Partnerservice für Singles. Triftige Anlässe en masse, für 1993 um Geschlechterverkehrsberuhigung zu bitten.
Zukunftsvisionen – Sollte man besser für sich behalten. Als „Traumhochzeit“ in Serie ging, wurde presseseitig gewitzelt, als nächstes käme denn wohl die „Traumscheidung“. Und schwupp! war sie schon in Produktion.
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