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Ein Interview ist ein Interview

■ betr.: "500 Friedensaktivisten kamen nach Sarajevo", taz vom 16.12.92

betr.: „500 Friedensaktivisten kamen nach Sarajevo“,

taz vom 16.12.92

Ein Interview ist ein Interview. Ein Kommentar ist ein Kommentar. Diese einfach erscheinende Regel sollte sich Erich Rathfelder über den Schreibtisch hängen (oder auswendig lernen).

Nichts gegen kritische Nachfragen beim Interview – ganz im Gegenteil. Aber wie er im Interview versuchte, Christine Schweitzer – die sichtlich so bemüht wie überfordert war, ihre humanitären Ziele darzustellen – in die politisch-naive wenn nicht serben- (=Aggressoren)freundliche Ecke zu stellen, hatte mit fairem Journalismus nichts mehr zu tun. [...] Arnd Grewer, Bonn

[...] Immerhin wird deutlich, daß es Leuten wie Herrn Rathfelder, weniger um die unter dem Krieg leidenden Menschen geht als um die Durchsetzung politischer Prinzipien. Er polemisiert gegen jegliche menschenrettende Überlegungen, sobald er darin ein politisches Nachgeben zu erkennen glaubt. Sollten die Schrecken des Krieges nicht endlich jedem deutlich gemacht haben, daß selbst die „gerechtfertigte“ Gewalt der Verteidiger in eine mörderische Eskalationsspirale hineinführt und deshalb abzulehnen ist? Wir kommen nicht darum herum, Gerechtigkeit ohne den Einsatz von Militär zu erkämpfen und zu verteidigen! Christoph Besemer, Freiburg

Als Teilnehmer an der Reise der 500 nach Sarajevo war ich von dem freundlichen Empfang durch die Menschen in der belagerten Stadt sehr beeindruckt. Zugleich war ich aber auch beschämt, weil wir ihnen weder den Frieden noch eine materielle Hilfe brachten. Aber die Menschen hatten die symbolische Geste dieses Besuchs gut verstanden und respektierten uns mit unserer gewaltfreien Aktion, obgleich sie eigentlich einen militärischen Angriff auf die serbischen Stellungen um die Stadt fordern und sich davon ein Ende der Belagerung erhoffen.

Es ist sehr schwierig, angesichts der Leiden der Bevölkerung einen gewaltfreien Standpunkt zu vertreten. Es stellt sich hier wieder einmal die uralte Frage nach dem gerechten Krieg. Wer mit Erich Rathfelder den Militäreinsatz fordert, um die Leiden der Zivilbevölkerung zu beenden, muß aber vorher prüfen, ob die Bedingungen für die Anwendung der bewaffneten Gewalt auch erfüllt sind. Eine der wichtigsten ist es, daß zuvor alles versucht wurde, den Konflikt ohne Gewalt beizulegen, und daß dieser Weg völlig ohne Erfolg blieb.

Betrachten wir den Krieg im ehemaligen Jugoslawien, so müssen wir feststellen, daß die genannte Vorbedingung nicht einmal im Ansatz erfüllt ist. Wo bleiben die Verhandlungsversuche zahlreicher europäischer PolitikerInnen (oder auch prominenter Altpolitiker), wo hören wir etwas von Vermittlungsversuchen der Kirchenleute, warum sind die Friedens- und Konfliktforscher so abgetaucht, obgleich sie sonst lautstark ihre Stimme erheben, wenn ihnen die öffentlichen Mittel gekürzt werden sollen? Warum haben sie nicht schon längst Bosnien als Forschungs- und Arbeitsfeld entdeckt und engagieren sich dort?

Wenn alle diese gesellschaftlich und politisch aktiven Menschen in das Land reisen, sich dort aufhalten, mit örtlichen Friedensgruppen zusammenarbeiten und sich für eine gewaltfreie Beilegung der Konflikte einsetzen würden, ließe sich der Krieg bald beenden. Der Versuch muß wenigstens gewagt werden, bevor man die Militärintervention fordert. Jörg Schulz-Trieglaff, Uslar

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