: Oppositionsführer „belagert“
■ Nach den Wahlen in Kamerun sitzen viele Oppositionelle hinter Gittern/ Proteste in Heimatstadt Fru Ndis
Yaounde (IPS) – Die Unruhen nach der umstrittenen Wiederwahl des kamerunischen Präsidenten Paul Biyas im Oktober reißen nicht ab. Am Wochenende kam es in der im Nordwesten des Landes gelegenen Heimatstadt von Oppositionsführer John Fru Ndi, Bamenda, neuerlich zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Anhängern der Opposition, nachdem die Verlegung verhafteter Oppositioneller an einen zunächst unbekannten Ort und die Entsendung von Truppen zum Wohnsitz des unter Hausarrest stehenden Oppositionschefs bekannt geworden waren.
Tausende Menschen gingen daraufhin am Sonntag auf die Straßen und blockierten die Zufahrtswege mit abgestellten Autos. Die Sicherheitskräfte gaben Warnschüsse ab und setzten Tränengas ein, um die Kundgebung aufzulösen, was jedoch nicht gelang.
John Fru Ndi, Vorsitzender der „Sozialdemokratischen Front“ (SDF) und nach Ansicht der Opposition eigentlicher Sieger bei den Wahlen im Oktober, bestätigte am Montag in einem Telefoninterview Berichte über eine geplante Armeeoperation gegen ihn. Nachdem ihm Biya seinen Wahlsieg im Oktober „gestohlen“ habe, solle er nun zum Opfer eines Menschenraubs gemacht werden, erklärte der in seinem Haus festgesetzte Politiker. Noch während des Telefongesprächs bezogen nach Angaben Fru Ndis weitere Soldaten vor seinem Haus Aufstellung.
An die 5.000 Menschen halten sich seit Sonntag vor dem Wohnsitz des Oppositionsführers auf. Sie wollen erst nach Hause gehen, wenn auch die Soldaten wieder abziehen, berichtet der Postbeamte George Forgwei.
Wie unterdessen bekannt wurde, sind die 173 Personen, die im Anschluß an die Verhängung des Ausnahmezustands verhaftet worden sind, bereits Samstag abend in das Hochsicherheitsgefängnis Kondengi in der kamerunischen Hauptstadt gebracht worden. Damit sollte offenbar die Ausführung eines richterlichen Entscheids verhindert werden, demzufolge 34 der Verhafteten freigelassen werden sollten, darunter auch Fru Ndis Wahlkampfmanager Hameni Bieuleu, zugleich Chef der „Union der demokratischen Kräfte Kameruns“ (UFDC), einer der Gruppen innerhalb der Oppositionsplattform „Union für den Wechsel“.
Für die Opposition ist Fru Ndi der Sieger der ersten freien Präsidentenwahlen seit der Unabhängigkeit Kameruns. Der seit zehn Jahren regierende Biya verdanke seinen Wahlsieg Manipulationen, behauptet die Opposition unter Berufung auf internationale Wahlbeobachter. Politische Beobachter interpretieren die jüngste Einladung des Oppositionsführers zu den Inaugurationsfeiern des neuen US-Präsidenten Bill Clinton als implizite Anerkennung seines Wahlsiegs. Die jüngsten Aktionen der kamerunischen Regierung deuten freilich nicht darauf hin, daß Biya gewillt ist, die Washington-Reise seines Rivalen zuzulassen. Der charismatische Politiker ist seinerseits entschlossen, der Einladung zu folgen, und will nötigenfalls seine Anhänger mobilisieren. Als Ausweg aus der politischen Krise fordert der Oppositionschef eine Stichwahl. Andernfalls solle Biya zurücktreten und die Macht „dem legitimen Präsidenten John Fru Ndi“ übergeben.
Die Opposition drohte unterdessen mit einer Wiederholung der „Operation Geisterstadt“. Die Regierung des krisengeschüttelten Landes könnte dadurch in ernste Schwierigkeiten kommen. 1991 war die Wirtschaft in der West- und Nordwestprovinz, den Kornkammern Kameruns, durch die acht Monate dauernde Boykottaktion schwer in Mitleidenschaft gezogen worden.
Auch außenpolitisch gerät Biya in Bedrängnis, nachdem die USA und mehrere europäische Länder Kamerun ihre Finanzhilfe entzogen haben. Die Opposition hofft auf einen ähnlichen Schritt der früheren Kolonialmacht Frankreich. Tansa Musa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen