piwik no script img

Für ein regionalisiertes Bosnien

■ Der kroatische Minister Baletić, der die kroatische Regierung bei den UN-Gesprächen über die von Serben besetzten Gebiete Kroatiens vertritt, lehnt ein unitarisches Bosnien ab

taz: Wie sieht Ihr Resümee der Arbeit der UN-Truppen in Kroatien und Bosnien aus? Die Blauhelme sind in Kroatien nun immerhin über ein Jahr stationiert?

Baletić: Wir müssen strikt unterscheiden zwischen den Aktivitäten der UN-Truppen in Bosnien und denen in Kraotien. Als von den Vereinten Nationen im November 1991 entschieden wurde, Truppen im ehemaligen Jugoslawien zu stationieren, ging es allein um Kroatien. Die Blauhelme sollten dort den Waffenstillstand überwachen. Wir akzeptierten die Vorschläge der UNO zu diesem Zeitpunkt, weil es zunächst einmal für uns darum ging, einen Waffenstillstand zu erreichen. Der damalige Plan versprach die Verteidigung der Integrität des Staates Kroatien. Er versprach, daß die okkupierten Gebiete für einige Zeit einen speziellen Status haben würden, doch sie sollten grundsätzlich unter kroatische Kontrolle kommen. Die serbische Minorität sollte in den Gebieten, wo sie in der Majorität ist, eine spezielle Autonomie genießen. Das Problem ist aber nun, daß die serbische Seite sich daran nicht gehalten hat. Vielmehr haben sie versucht, die kroatische Bevölkerung aus den von ihnen besetzten Gebieten zu vertreiben. So wollten sie die Waffenstillstandslinie zu einer neuen Grenze machen. Wir erwarten, daß die UNO zusätzliche Maßnahmen ergreift, um die Abmachungen durchzusetzen.

Und wenn dies nicht geschieht?

Wir hoffen immer noch, daß die UNO größeren Druck auf Serbien ausübt. Wir wollen in Kroatien keinen neuen Krieg, solange es die Möglichkeit gibt, die ursprünglichen UN-Pläne zu verwirklichen. Ansonsten müßten wir selbst militärische Mittel anwenden.

Sie wollen also einen neuen Waffengang riskieren? Gibt es dafür einen Zeitplan?

Es gibt dafür keinen Zeitplan, aber es könnte schon früher sein, als viele glauben. Im März soll das UNO-Mandat auslaufen, wir werden sehen, wie die Situation dann aussieht.

Im März könnte also ein neuer Krieg in Kroatien beginnen? Was soll denn in Bosnien geschehen?

Die Situation dort ist noch komplizierter. Die militärische Stärke der Serben in Bosnien ist noch größer als in Kroatien. Sie okkupierten fast 60 Prozent des Gebietes, sie zerstörten das friedliche Zusammenleben der ethnischen Gruppen. Unser politisches Ziel ist es, in Bosnien einen Staat zu konstituieren, der den drei konstituierenden Nationen gleiche Rechte gibt. Wir wollen keinen serbischen Staat, keinen kroatischen Staat, aber auch keinen muslimanischen Staat. Die Gebiete, in denen eine eindeutige Mehrheit einer Ethnie vorherrscht, müssen eine regionale Autonomie erhalten.

Bis Sie zu dieser Position gekommen sind, gab es aber einige Irritationen. Die kroatische Seite hat doch mit der serbischen Seite öfter über die Aufteilung der Republik gesprochen.

Wir waren von Anfang an dafür, eine politische Lösung für Bosnien zu finden. Die muslimanische Politik hatte einen Fehler, sie wollte von vorneherein ein unitarisches Bosnien durchsetzen, und zwar unter der Protektion der UNO und der USA. Diese Position aber war weder für die Serben noch für die Kroaten akzeptabel, denn dieses zentralistische Modell hätte keinen Vorteil gegenüber dem Modell, das wir aus der Vergangenheit kennen und unter dem Kroaten unterdrückt waren.

Es ist aber doch verständlich, daß der bosnische Präsident Izetbegović über die serbokroatischen Verhandlungen nicht gerade „erfreut“ war.

Das dürfen sie nicht einseitig sehen. Izetbegović hat einige große Fehler gemacht. Als Anfang des letzten Jahres die Serben kroatische Gebiete in Bosnien angriffen, hielt er sich raus. Er sagte, diese Kämpfe wären ein serbokroatischer Konflikt, sie hätten mit Bosnien nichts zu tun. Er verlor durch diese Haltung das Vertrauen der Kroaten in Bosnien.

Wie soll es denn jetzt weitergehen? Was erwarten Sie von den Genfer Verhandlungen?

Die muslimanische Seite will unter allen Umständen ein einheitliches Bosnien erhalten. Das macht uns mißtrauisch. Unser Modell eines regionalisierten Bosnien ist dagegen ein moderates Modell. Wir wollen an unseren Grenzen ein freundliches und nicht ein feindliches Bosnien haben. Wir wollen eine demokratische Lösung, auch mit den Serben. Die serbische Seite will ein Konföderationsmodell, darauf bestehen wir aber nicht.

Ist denn dann das Modell, das in Genf jetzt vorgestellt wird, eine Möglichkeit, auf die sie sich einlassen können?

Im Prinzip ja. Es müssen jedoch viele Einzelheiten geklärt werden. Ich sehe den Verhandlungsprozeß als ziemlich schwierig an. Es wäre einfacher gewesen, wenn die UNO schon früher stärker aufgetreten wäre. Alle Seiten hätten gezwungen werden können, einer politischen Lösung zuzustimmen. Aber es gab zu viele Konflikte innerhalb der UNO. So haben die Serben geglaubt, sie müßten die Forderungen der internationalen Gemeinschaft nicht beachten.

Würden Sie, wenn die Verhandlungen scheitern, eine internationale Intervention in Bosnien unterstützen?

Ja. In dieser Situation würde eine Intervention die Situation beruhigen. Doch sie muß ein Ziel haben. Und dieses Ziel ist die Rekonstruktion Bosniens auf der Grundlage unserer Vorschläge. Interview: Erich Rathfelder

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen