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Möllemannismus ohne Ende Von Mathias Bröckers

Die Schadenfreude über den Absturz Möllemanns hält sich in Grenzen, sicher, er war die Inkarnation eines schleimigen Karrieretypen, eines wortgewandten Opportunisten und rückgratlosen Prinzipienreiters, die fleischgewordene Karikatur eines Inkompetenzlings, der sich auf der Klaviatur der Parteienmacht bis ganz nach oben klimperte – aber daß er jetzt wegen ein paar lächerlicher Empfehlungsschreiben zurücktreten muß, ist nun doch zuviel des Guten – beziehungsweise zuwenig des Schlechten. Wenn er ein guter Wirtschaftsminister war, hätten ihn derlei Lappalien nicht zu Fall bringen können – war er aber ein schlechter, wie kann es dann angehen, daß er jetzt als „jämmerlicher Lügner“ (Bild) abstürzt, und nicht als „kompletter Versager“. Könnte es sein, daß die Öffentlichkeit Belanglosigkeiten wie diese „Briefbogenaffäre“ nur deswegen zum Skandal stilisiert, weil sie das viel schwerwiegendere Eingeständnis, daß nämlich die Parteienmacht in diesem Lande komplette Versager bis zur Vizekanzlerschaft hochschwemmt, permanent verdrängt? Die mediale Schwerstentrüstung über die „Vetternwirtschaft“ jedenfalls wirkt künstlich und gespielt. Von Hunderten Empfehlungsschreiben, die ein Minister per anno herausgibt, betraf eines die Erfindung eines Vetters zweiten Grades – na und? Für einen offenbar erfolgreichen Alternativ-Heiler hat er sich schriftlich eingesetzt – so what? Mit Korruption hat das so wenig zu tun wie mit einer spiritistischen Hirnstörung – und doch pflastern Begriffe wie „Bestechungsaffäre“ und „Wunderheiler“ den Abgangsweg des Ministers. Von der Wirtschaft – sei es die im Osten, sei es die im monetären Orbit der Staatsschulden – von Arbeitslosigkeit und dräuender Weltwirtschaftskrise – und von den Lösungsvorschlägen, die der zuständige Minister dafür hat, war bei diesem unheimlich schwachen Abgang mit keinem Wort die Rede. Wie aber kommt die Öffentlichkeit dazu, ihre gewählten Lenker der Wirtschaft vorzeitig zu verabschieden, ohne die Frage nach ihren Fähigkeiten überhaupt zu stellen?

Der Theaterdonner um Möllemanns Rücktritt übertönt einmal mehr, daß diese Frage offenbar überhaupt keine Rolle mehr spielt. Wen interessiert schon, daß jedes Baby in diesem Staat mit 50.000 D-Mark Schulden an den Start geht und die Geld-Regeln in diesem unspielbaren Monopoly dringend geändert werden müssen – was gesucht wird, sind nicht grundsätzliche Lösungen, sondern ministrable Lallbacken, die sie mit immer neuen Predigten vom ewigen Wachstum verhindern. Figuren, gegen die noch der schmierigste Gebrauchtwagen-Dealer als seriöser Anbieter gelten muß, denn er verkauft zumindest ein Auto, sie aber ein ökonomisches Perpetuum mobile: die Ideologie eines ewig wachsenden Monopolys, das allen Mitspielern gleiche Chancen garantiert. Tatsache aber ist, daß 0,5Prozent der Mitspieler über 50Prozent des gesamten Kapitals verfügen und sich 99,5Prozent um die andere Hälfte prügeln und daß diese Umverteilung von unten nach oben mit jedem Zinstag weiter wächst. Solange diese tödliche Spielregel nicht zum Thema des Wirtschaftsministeriums geworden ist, so lange werden sich die Möllemänner dort die Klinke in die Hand geben.

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