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Was ein Schreibcomputer anrichten kann

■ "Befragung" in der Ausländerbehörde endet mit Handgreiflichkeiten und Festnahme / Das Pech des Asylbewerbers: der Anwalt

: der Anwalt

Ausländerbehörde, 30. Dezember. In der „Abteilung für aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ erscheint der 17jährige Alexander Dibba (Name geändert) aus Gambia. Sein Asylantrag ist abgelehnt worden, die „Aufenthaltsgestattung“ abgelaufen. Mit Hilfe eines Rechtsanwalts hat Dibba eine Petition an den Eingabenausschuß der Bürgerschaft gerichtet, die er nun im Beisein seiner Sozialbetreuerin der Behörde vorlegen will.

Noch bevor der zuständige Sachbearbeiter ihm die Vorlage der Petition bescheinigt, kommen zwei Kripobeamte. Bei einer Computeranfrage habe sich herausgestellt, so die Beamten, daß Dibba in Regensburg zur Fahndung ausgeschrieben sei: Festnahme! Bei dem Versuch, ihm Handschellen anzulegen, trägt Dibba erhebliche Prellungen davon. Später auf der Wache stellen die dortigen Polizisten schnell fest, daß er gar nicht der Gesuchte ist: Der hat nämlich ein anderes Geburtsdatum, andere Vornamen und nur noch neun Finger. Lediglich der in Gambia weitverbreitete Nachname stimmt überein.

Dibbas Aufenthalt in Deutschland stand von Beginn an unter einem schlechten Stern. Als er im August 1991 in die Bundesrepublik flüchtete, geriet er ausgerechnet an den Rechtsanwalt Horst Römer, der für ihn den Asylantrag formulierte. Doch für die 50 Mark, die Dibba dafür zahlen mußte, war's das auch schon. Römer leitete weder ein einziges Behördenschreiben an Dibba weiter, noch informierte er ihn über den so wichtigen Anhörungstermin in der Ausländerbehörde. Die Folge ist, daß das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist — ohne daß der Betroffene überhaupt angehört wurde. Selbst die Petition wird in der kommenden Woche vermutlich abgewiesen werden, Dibba muß dann täglich mit seiner Abschiebung rechnen.

Eingebrockt hat ihm das Rechtsanwalt Horst Römer, in Juristenkreisen über Hamburg hinaus wie ein bunter Hund bekannt. Nach taz-Informationen liegen über Römer unzählige Beschwerden von Gerichten, Behörden und Mandanten bei der Anwaltskammer und Staatsanwaltschaft in Hamburg vor. Römer mußte zwar Geldbußen bezahlen, aber der Antrag der Staatsanwaltschaft, ihm die Vertretung von Asylbewerbern zu verbieten, wurde vom Ehrengerichtshof für Rechtsanwälte abgelehnt.

Im Januar 1992 hat der Eingabenausschuß der Bürgerschaft sogar seine Geschäftsordnung geändert — wegen Römer. Von den insgesamt 439 Petitionen in Asylangelegenheiten, mit denen sich der Ausschuß allein 1991 befaßte, stammten 223 von Römer. Sie waren alle wortgleich, mit einem Schreibcomputer geschrieben — und von vornherein aussichtslos. Für jede dieser Petitionen kassierte Römer Honorare zwischen 500 und 700 Mark.

Der Ausschuß hatte deshalb beschlossen, über derartige Eingaben binnen weniger Tage zu entscheiden und sich nicht mehr monatelang Zeit zu lassen. Damit wurden zwar Römers Petitionen gestoppt, dieses „beschleunigte Verfahren“ trifft aber nun auch Alexander Dibba. Norbert Müller

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