: Kinder — Instrumente im Rachekalkül
■ Die Bremer Shakespeare Company spielt heute „Titus Andronicus“ für Kriegskinder in Mosambik
Die Bremer Shakespeare Company hat kein weißes Leinentuch an ihrer Theaterfassade hängen, auf dem ihre Solidarität mit den Elenden dieser Welt verkündet wäre. Dafür ist die heutige Vorstellung von Shakespeares „Titus Andronicus“ den kriegstraumatisierten Kindern in Mosambik gewidmet.
Nicht nur geht die gesamte Abendeinnahme an terre des hommes, das schreckliche Gemetzel im „Titus“ soll diesmal expliziet darauf verweisen, wie sehr gerade Kinder Opfer von Kriegshandlungen werden. Bei Shakespeare ebenso wie in heutigen Kriegsgebieten, sei es Jugoslavien, sei es eben Mosambik.
Shakespeares Titus Andronicus kehrt siegreich aus einer Schlacht zurück, in der 23 seiner 25 Söhne gefallen sind. Zur Versöhnung der Götter opfert er einen Sohn der besiegten Gotenkönigin Tamora. Diese veranlaßt ihre anderen Söhne, die Tochter von Titus zu verstümmeln, zu vergewaltigen und seine beiden letzten Söhne bestialisch zu töten.
In Shakespeares Stück sind die Kinder nichts weiter als strategisch eingesetzte Instrumente in einem rachepolitischen Kalkül. Sie werden getötet und töten für Ziele, mit denen sie nichts zu tun haben. Darin sieht die Company den Bezug zu den Kriegskindern in Mosambik.
Speziell die vom Apartheidsstaat Südafrika kontrollierte Terrortruppe der RENAMO hatte Kinder nicht nur ermordet oder zu Waisen gemacht, sondern gezielt Kindersoldaten abgerichtet, die in ihrem Leben nichts anderes kennengelernt haben als Gewalt. Jetzt, da sich das Leben in Mosambik äußerlich normalisiert hat, ist es umso wichtiger, daß die Kinder die Gewaltspirale nicht fortsetzen, daß sie nicht weiterhin gewalttätige Auseinandersetzungen als einzige gesellschaftliche Realität begreifen.
Terre des hommes hat schon vor Jahren ein Projekt vorbereitet, in dem Lehrer in einem landesweiten Programm für die besonderen Probleme traumatisierter Kinder sensibilisiert und pädagogisch ausgebildet werden. Auch wird in der Provinz Tete ein Wohn- und Schulheim für mehr als 300 aus der Gefangenschaft der RENAMO befreiten Kinder eingerichtet.
Wenn die Vorstellung des „Titus“ heute abend ausverkauft ist, kommen etwa achttausend Mark zusammen. Darüberhinaus aber möchte die Hilfsoranisation auf Möglichkeiten der Mitarbeit hinweisen. In einer anschließenden Diskussion über das Stück und den Sinn solcher Benefitzvorstellungen im Falstaf-Theatercafe werden Christa Dürr von terre des hommes und SchauspielerInnen der Shakespeare Company anwesend sein. Cornelia Kurth
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen