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■ Cash & CrashFlucht in die D-Mark

Wundersame Welt des Geldes: Kaum hat die Grande Nation auf beeindruckende Weise mit einem Rekordexportüberschuß ihre Handelsbilanz saniert, da spielen die Devisenmärkte wieder verrückt und ziehen den Franc tief in den Strudel. Am Montag setzten Abwertungsspekulationen die französische Währung gehörig unter Druck. Um den Franc nicht unter den vom Europäischen Währungssystem (EWS) festgelegten Interventionspunkt fallen zu lassen, mußten Deutsche Bundesbank und französische Nationalbank mit Stützungskäufen eingreifen.

Gestern dann wählte die Banque des France ein noch drastischeres Mittel: sie setzte den Lombardsatz, zu dem sich die Banken kurzfristig Geld zur Erhöhung ihrer Liquidität von der Zentralbank leihen können, gleich um zwei Prozent auf 12 Prozent hoch. Die Operation gelang, der Franc konnte sich an der Pariser Börse auf 3,412 Mark erholen.

Doch die Magenschmerzen der Franzosen dürften längst nicht ausgestanden sein. Seit im September und Oktober die Notenbanken insgesamt rund 160 Milliarden US-Dollar zur Verteidigung unter Druck geratener EWS-Währungen aufbringen mußten, ist das Vertrauen in den Europäischen Wechselkursmechanismus beinahe auf null gesunken. Erst Lira und Pfund, dann Escudo, Peseten, Irlands Punt und die mit dem EWS einseitig verbundenen Währungen Finnlands, Schwedens und Norwegens – vom Währungssystem scheint nur ein D-Mark-Torso übriggeblieben. Auch die Notenbankchefs und Finanzminister haben wenig Anlaß zur Hoffnung gegeben, weil sie eine EWS-Korrektur schlicht ablehnen.

Doch wenn die Politik versagt, handelt der Markt. Wo der monetäre Zügel lockt, da laß dich nieder: die internationalen Kapitalanleger haben Hunderte von Milliarden in hochverzinsten Anleihen aus europäischen Weichwährungsländern geparkt. Massenhaft haben sie nun die Flucht in die D-Mark und den steigenden US-Dollar angetreten. Auch mit neuen Attacken auf Franc, Punt und die dänische Krone wird gerechnet. Während bei dem irischen Punt eine Überbewertung gegenüber dem britischen Pfund genügend Anlaß für Devisen-Spekulationen bietet, gelten Franc und Krone wegen der hohe Zinssätze als gefährdet. Doch die Reserven der Notenbanken dürften für weitere Rettungsversuche schon bald nicht mehr ausreichen.

Für das EG-Musterland Frankreich ist Spekulationsdruck besonders fatal. Die Wirtschafts- und Haushaltsdaten werden als grundsolide bewertet – nur die höheren Zinsen sind Gift für die Konjunktur. Die Unternehmen investieren immer weniger, der Konsum stagniert. Nur die überraschend guten Exporte retten Frankreich derzeit vor Schlimmerem. Entsprechend groß ist der Groll auf die deutschen Nachbbarn: „Wir ersticken an den Zinsen, die eine starke, aber nicht aufgewertete D-Mark den anderen europäischen Staaten aufbürdet“ – diese Klage gehört zum Standardinventar französischer Ökonomen. Zermürbt wartet seit einem Jahr alles auf ein Signal von der Bundesbank. Die honorigen Bremser aus Frankfurt würden schon am Donnerstag die Zinsen senken, tönte es gestern aus Frankreichs Regierung. Davon wiederum will aber Bundesbankchef Helmut Schlesinger nichts wissen, derzeit. Erwin Single

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