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Türkei hält Bremerhavener Lehrerin fest

■ Vorwürfe gegen die deutsche Staatsangehörige Gönül Baki: Illegale Einreise, Terroristische Organisation

Seit Dienstag mittag wird die Bremerhavener Lehrerin Gönül Baki in Istanbul festgehalten und an ihrer Rückreise nach Deutschland gehindert. Die türkischen Sicherheitskräfte werfen ihr die wiederholte illegale Einreise, die Zugehörigkeit zu terroristischen Organisationen und politische Aktivitäten in der Türkei vor. Gönül Baki weist die Vorwürfe energisch zurück.

Die Lehrerin wird festgehalten, obwohl sie deutsche Staatsangehörige ist. Dies zumindest glaubte sie bis gestern nachmittag: Sie kam vor über zwölf Jahren nach Deutschland. Die Türkei hatte die ausgebildete Deutschlehrerin noch vor dem Putsch im September 1980 in die Bundesrepublik geschickt, sie gut vier Jahre später aber ausgebürgert. Der Grund: Ihre aktive Mitarbeit in der seit dem Putsch und bis heute verbotenen Lehrerorganisation „TÖB-DER“ und ihre Unterstützung linker Studentenproteste. Gönül Baki, die seit 1969 deutsche Sprache und Kultur studiert hatte und in Bremerhaven am Schulzentrum Geschwister Scholl ausländischen Kindern Deutschunterricht erteilt, hat sich in einem zwei Jahre dauernden Einbürgerungsverfahren die deutsche Staatsangehörigkeit erkämpft. Sie ist ehemaliges Vorstandsmitglied der Grünen in Bremerhaven, für ihre Partei mit dem Schwerpunkt Multikultur aktiv und bei der GEW im Bezirksvorstand und in diversen Arbeitskreisen zu Migrationspolitik und Ausländerkindern engagiert.

GEW und Bremerhaven- Grüne, sowie die Bürgerschaftsfraktion haben gestern die sofortige Freilassung und Ausreise von Frau Baki gefordert und entsprechende Protestbriefe zur Deutschen Botschaft nach Ankara und dem Deutschen Generalkonsulat in Istanbul gefaxt. Der Bremerhavener Magistrat zeigte sich gestern „sehr betroffen“, verabschiedete einstimmig eine Entschließung zur Freilassung und schaltete das Auswärtige Amt in den Fall ein.

Nach einer kurzfristig angesetzten Verhandlung wurde Gönül Baki gestern mittag aus der Polizeibewachung am Flughafen in Istanbul entlassen, ausreisen darf sie dennoch nicht. Daß sie ihren Schuldienst nach den Ferien pünktlich antreten kann, sei unwahrscheinlich: Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes „liegen verschiedene Ausschreibungen an“, so seien ein Einreiseverbot und frühere politische Tätigkeiten in verschiedenen Computern gespeichert. Es könnte also noch zu einer Anklage kommen.

Außerdem überprüfen die türkischen Behörden, ob eine doppelte Staatsbürgerschaft vorliegt und sie damit nicht doch Zugriff auf Gönül Baki haben. Als das Auswärtige Amt im Fall Baki gestern nämlich nachforschte, erfuhren die überraschten Beamten, daß die Türkei (dank eines ihnen bis dahin unbekannten Gesetzes) die Staatsbürgerschaft ohne Zustimmung und Beteiligung der Betroffenen wiederbeleben kann. Gönül Baki habe unterdessen betont, daß sie kein Interesse an einer Wiedereinbürgerung habe.

Zwei Tage vor Weihnachten war sie mit ihrer Tochter und ihrem Lebensgefährten zum ersten Mal seit zwölf Jahren zu einem Verwandtenbesuch in die Türkei gereist. Ihre Tochter war zwar zunächst ebenfalls festgehalten worden, durfte aber dann ausreisen. Nach deren Auskunft hatte sich Gönül Baki bei ihrem Rechtsanwalt in Ankara und dem Generalkonsulat in Hannover erkundigt, daß sie ungehindert in die Türkei reisen konnte: wie bei anderen Intellektuellen, die nach dem Putsch ausgebürgert wurden, seien Vorwürfe gegen sie „gelöscht“ worden. Nach Informationen des Generalhonorarkonsuls Karl H. Grabbe habe ihr die ungehinderte Rückreise jedoch nicht garantiert werden können, Frau Baki sei „in vollem Wissen um die Situation“ gereist. Birgitt Rambalski

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