: Über den Krieg in Vietnam
Hinterm fernseher wechselte das licht
draußen vor den fenstern. Das dunkel ging
in grau über, die bäume zeichneten sich
schwarz im klaren grauen licht
des neuschnees ab. Am morgen
ist alles zugeschneit. Ich gehe
hinaus und fege nach dem sturm.
Im Radio höre ich, die USA
haben ein weißbuch veröffentlicht
über den Krieg in VIETNAM
in dem Nordvietnam der aggression
beschuldigt wird. Gestern abend
im fernsehen
sahen wir filmaufnahmen von
der seite der Vietcong, hörten
das dumpfe flattern
der helikopter,
vom boden aus, von der seite
der beschossenen. In einem anderen Film
vor ein paar wochen
interviewte man die amerikanischen
hubschrauberpiloten für die CBS. Einer von ihnen
beschrieb seine entladung
als er endlich einen „VC“ ins
schußfeld bekam: drei meter weit
schleuderten ihn
die raketen. Es gibt
sicher noch mehr schnee heute
sagt mein nachbar, schwarzgekleidet
unterwegs zu seiner arbeit. Er
balsamiert tote ein und ist nachtpfleger in der
nervenklinik. Die gegend wo ich wohne – Lund
und umgebung – wird ein immer weißeres
buch, die sonne kommt hervor und leuchtet
brennend kalt über die weithingestreckten seiten.
Die toten sind ziffern, die ruhen, aufwirbeln
wie kristalle, im wind über den feldern. Bisher
sollen 2 millionen gestorben sein in VIETNAM.
Hier stirbt kaum jemand
aus andern als persönlichen gründen. Die schwedische
wirtschaft tötet heutzutage
nicht mehr viele, jedenfalls
nicht hierzulande. Niemand führt
krieg in unserem land um seine
interessen zu wahren. Niemand
verbrennt uns mit napalm
um einer feudalen freiheit willen.
Im 15. und 16. jahrhundert gab es kein napalm.
Hier steigt die Sonne gegen mittag.
Es ist bald märz 1965.
Mit jedem tag
werden mehr getötet in dem widerlichen krieg der USA.
Die schneeflocken auf dem foto von
präsident johnson
zur zeit der letzten bombardierungen
in Nordvietnam – er stieg
aus einem oder in ein auto – fallen
immer dichter über die weißen seiten.
Mehr tote, mehr rechtfertigungen,
bis alles zugeschneit ist
in jener nacht die endgültig
ihr licht wechselt draußen vor den fenstern.
aus: Eingriffe – Modelle (1965)
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