: Von kalten Husaren
■ Die Horen, 168.Lieferung: Selbstbedienugs-Texte, zum Beispiel aus D
„In D lieben sie den Schaden wie in anderen Ländern das Glück. Viel Schaden, rufen sie sich zu, wenn sie einander begegnen, und begründen dies untereinander so: Schaden macht klug. Aus lauter Lust, sich schlau zu machen, haben sie in D immer mehr Schaden als Verstand.“
Typisch D'ler, wer solche Texte wie „Das schadenfrohe Land“ von Peter Maiwald mit Vergnügen liest. Aber auch für alle anderen Typen hält das neue Heft der Kunst- und Literaturzeitschrift „Die Horen“ etwas bereit. Etwa für den F.W.B.-Typ: Schräglachen darf man sich über die jüngst in der Titanic veröffentlichte Travestie „Das Bimststeinzimmer — Ein Anfall“ des Karikaturisten und Autors F.W. Bernstein. Kostprobe: „In Höhle sieben in Neandertal pflastert Zar Zack die Wände mit reinem Bims. Er kann die Purzel und Büffel und Pimmel, die seine Söhne draufgekritzelt haben, nicht mehr sehen. Später machte er noch eine Anrichte, siebzehn Sitzecken und mehrere Hocker aus demselben Material. Und schenkte das ganze dem deutschen Kaiser Franz. So!“
Lesen wir dann weiter Ulrich Holbeins abenteuerliche „Flüchtlings- Fuge“, in der vier Flüchtlinge im Anschluß an ein Präludium in Fugenform hintereinander herrennen, um schließlich gemeinsam zu enden mit einem „Wir entfliehen dem fliehenden Gefängnis“ — wir bekommen den Hauch einer Ahnung davon, daß ins „Horen“-Heft rote Fäden eingebunden sind. (Aber sicher sind wir nicht.)
Heft 168 der ruhmreichen „Horen“-Reihe („Ein Stachel ins Hirn des belletristischen Lesers“ / Die Zeit) gehört zu den „offenen Bänden“, die zweimal im Jahr herauskommen — zwischen den „Themenheften“ (dänische Literatur, vergessene Autoren, Krimi). Die „offenen Bände“ bündeln „subjektiv interessante Texte“. Subjektiver Redakteur war diesmal der Bremerhavener Autor Johann P.Tammen. Der hat „schon lange einen Groll auf Biermann“; der Text des Bremerhaveners Wolfgang Hegewald kam ihm da gerade recht: „Der Herbst der Kommunisten — Gewagte Vermutungen, anläßlich der jüngsten deutschen Hatz und Zungendrescherei der Herren Biermann, Müller & Genossen“. Wo er hinsieht, entdeckt Hegewald „Urmuster kommunistischer Mentalität“, und zwar da, wo man es nicht erwarten würde, bei „Krypto-, Anti-, Ex-, Antiantikommunisten etc.“ Hegewald kennt die Witterung — die ersten dreißig Jahre seines Lebens (Jg.52) verbrachte er im Tal der Ahnungslosen. Er geißelt bei Müller und Biermann „Anfälle von kaltem Husarenfieber“, wenn sie klagen, daß 1989 kein Bonzenblut geflossen sei. Übrigens gehöre auch dazu: der „vorsitzende Lesesittenrichter“ Reich-Ranicki.
Aus- und inländische AutorInnen, Beiträge über AutorInnen, über neue Bücher, über Verlage (Fischers neue Reihe „Frauen lesen“) — Tammen empfielt „assoziatives Lesen“. Zwischendurch Kunst: Hans Georg Bulla bespricht z.B. die Holzschnitte des Leipzigers Karl-Georg Hirsch, des Alten Meisters (Jg.38).Der die Mythen liebt. Dessen Bilder Bulla „literarisch“ nennt. Bus
ie Horen, Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik, Wirtschaftsverlag NW Brhv., Band 168, 224 Seiten, 15.-
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