piwik no script img

Straßenplaner bremsen Fahrradfahrer aus

■ Diepgen und Haase gegen Netz von Velo-Routen: Zu starke Eingriffe in den Autoverkehr/ Protest von allen Seiten

Berlin. In Berlin soll es kein Netz aus großzügig angelegten Fahrradstraßen geben. So lautet das Fazit eines Zwischenberichtes der Senatsverwaltung für Verkehr, der der taz vorliegt. Das Abgeordnetenhaus hatte die Verwaltung im Juni vergangenen Jahres beauftragt, ein entsprechendes Konzept zu erarbeiten. Doch nach Ansicht des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen und des Verkehrssenators Herwig Haase (beide CDU) würde ein solches Netz zu „erheblichen Eingriffen in die Verkehrsstrukturen“ und „zu einer unerwünschten Verdrängung des KFZ-Verkehrs in Wohnstraßen führen“. Unter dem rot- grünen Senat waren Pläne für solch ein Netz für Westberlin längst ausgearbeitet – damals stand die Mauer noch. Die Velo-Routen entsprachen weitgehend den Forderungen der Radfahrerverbände: Zwei Meter breite Spuren, die sich grundsätzlich auf der Straße befinden (Autofahrer sehen Radfahrer, keine Konflikte mit Fußgängern), ohne enge Kurven und mit „Grüner Welle“ an Kreuzungen. Jetzt sind nur noch zwölf Routen vorgesehen, die sternförmig aus dem Zentrum ins Umland verlaufen, bestätigt Tomas Spahn, Sprechers der Verkehrsverwaltung. Diese sollen mit acht Strecken untereinander verbunden werden – teils durch Velo-Routen, teils durch übliche Radwege. Diese Planung werde mit den Bezirken und später mit den Radfahrerverbänden beraten.

Doch die üben schon heute heftige Kritik. Uta Wobit, Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) in Berlin, bezeichnet die gesamte Planung als Alibi. Die Verwaltung glaube offenbar, bereits eine Ausschilderung mache Radwege zu Velo- Routen. Außerdem solle der Radverkehr in ihrem Bezirk Tiergarten „nur an Hauptverkehrsstraßen“ entlanggeführt werden – angesichts der hohen Verkehrs- und Abgasbelastung „völlig unsinnig“.

Der Bezirk teilt die Argumentation des ADFC sowie des Moabiter Ratschlags und bevorzugt deren Vorschläge. Der Bezirk hatte Fahrradspuren auf der Strom- und Turmstraße sowie Altmoabit beantragt, durch die der Autoverkehr zum Teil nicht einmal benachteiligt würde, doch der Verkehrssenator habe den Antrag abgelehnt, bemängelt der Leiter des Tiefbauamtes, Johann Schilcher: „Das ist eine Radpolitik aus den 60er Jahren.“

Auch in seinem Bezirk seien sich CDU-Stadtrat und Radfahrer weitgehend einig, berichtet Martin Lutz von der Steglitzer ADFC- Gruppe. Doch die Verkehrsverwaltung blockiere alles. Lutz fordert, daß Verbände nicht erst gehört werden, wenn alles fertig ist. Falls Kritik an einzelnen Strecken notwendig werde, müßte dann vieles geändert werden. Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Grüne, bezeichnete die Radplanungen der Verwaltung als „Makulatur“. Der Autoverkehr müsse selbstverständlich reduziert werden – schon damit Radfahrer freie Fahrt hätten und frische Luft atmen könnten. Dirk Wildt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen