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Kuba: Die Armut der Revolution

■ Die Wirtschaft ist im freien Fall/ Notwendige Veränderungen verschoben

„Dies ist eine Revolution, die sich schämen muß, weil sie gezwungen ist, Malanga zu rationieren“, hatte Fidel Castro im Frühjahr 1962 selbstkritisch erklärt. Dreißig Jahre später ist in Kuba nicht nur das kartoffelähnliche Arme-Leute-Gemüse Malanga rationiert, sondern praktisch alles vom Bindfaden bis zum Brot. Scham und Würde der Revolution haben sich verkehrt: Hatte einst die Überwindung der Armut die Würde der Revolution ausgemacht, so heißt es nun auf großen Stelltafeln in Havanna: „Die Armut geht vorbei, aber die Würdelosigkeit nicht“.

Die Würdelosigkeit, das wäre ein Nachgeben gegenüber dem US-Imperialismus, der gerade erst die Schrauben der Wirtschaftsblockade angezogen hat. Die Armut, die spüren die KubanerInnen jeden Tag: Die Rationen sind auf oft extrem niedrige Mengen heruntergeschraubt worden, und dennoch ist ein Bezugschein schon lange keine Garantie mehr, die entsprechende Ware tatsächlich zu bekommen. Von oben werden keine Visionen mehr verkündet, sondern Durchhalteparolen und die jeweils neuesten Kürzungsmaßnahmen.

Waren die sowjetischen Lada- und Moskvich-Autos einst das begehrteste Statussymbol, so wurden für den Monat Dezember die privaten Benzinrationen auf Null reduziert. Auch von Januar bis Mai kommenden Jahres wird nur noch Treibstoff an Privatleute verkauft, der nicht für „vorrangige staatliche Tätigkeiten“ gebraucht werde. Anlaß dieser Maßnahme ist offensichtlich die bis Mai dauernde Zuckerrohrernte.

Gibt es auch immer weniger zu kaufen, so hält der Staat immerhin die Löhne stabil und die Preise niedrig. Doch wo der gleichen Geldmenge sehr viel weniger Waren gegenüberstehen, verliert der Peso in der Konsequenz dramatisch an Wert. Die Preise und der Dollar-Kurs auf dem Schwarzmarkt laufen davon, und ein offizielles Monatsgehalt geht schon mal für zwei Flaschen Rum drauf.

Kubas Ökonomen sind sich der Sprengkraft dessen bewußt – nur entscheiden sie nicht die Politik. Aber auch Castro selbst hat unlängst in einem Interview mit der Zeitschrift Euromoney davon gesprochen, daß man „das interne Finanzungleichgewicht des Landes, den Überhang an Bargeld in der Bevölkerung und das Defizit des Haushalts“ angehen müsse. „Eine der Veränderungen, die wir möglicherweise zum richtigen Zeitpunkt machen werden, ist eine Preisreform“ – im Klartext: Preiserhöhungen. Castro weiter: „Wir studieren auch den Wechselkurs des Peso gegenüber anderen Währungen, um sie den neuen Realitäten des Landes anzupassen“ – sprich: Abwertung. Das alles müsse allerdings schrittweise geschehen.

Anfang Oktober wurden bereits Preissteigerungen für den Großhandel verordnet, allerdings ohne entsprechende Erhöhung der Verbraucherpreise. Die Differenz fängt der Staat auf – mit der Notenpresse. Wo eigentlich die überschüssige Geldmenge im Umlauf reduziert werden sollte, führt das politische Kalkül, in „diesem kritischen Moment“ keine neue Unzufriedenheit zu schaffen, zum genauen Gegenteil, zu einem weiteren Anheizen der verdeckten Inflation. In Kuba finden wirtschaftliche Reformen schrittweise statt – rückschrittweise.

Immer wieder werden die Maßnahmen verschoben auf die Zukunft, „wenn die wirtschaftlichen Umstände dies erlauben“, so Castro. Doch ein Licht am Horizont ist nicht auszumachen, im Gegenteil: Mit der Wirtschaft geht es weiter bergab. In ungewohnter Offenheit hat Politbüro-Mitglied Carlos Lage, „Wirtschaftszar“ und inzwischen dritter Mann Kubas hinter den beiden Castro-Brüdern, im Fernsehen erklärt, daß der groß als Zukunftshoffnung propagierte „Ernährungsplan“ „nur wenige Resultate“ gebracht habe. Bert Hoffmann

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