: Vermählung mit Jazz
■ ReciTales – Die Harmoniker“: Vier ernste Musiker betreiben im BKA Kammermusik der „etwas anderen Art“
Sie sind Perfektionisten. In konzentriertem, zuweilen angestrengtem Eifer wollen sie uns das Lachen beibringen an diesem Abend im BKA. Und doch sind sie's nicht direkt und ursächlich, die uns das Lachen entlocken, obwohl ihre interpretatorische Leistung unbestritten ist. Die Harmoniker als Bühnenagitatoren im Dienste des Lachens rücken sich nämlich unprätentiös in den Hintergrund, jedenfalls zumeist und zugunsten der Musik.
Instrumentell feiern sie die Vermählung der klassischen Musik mit dem Jazz, die Folklore spielt Trauzeugin, assistiert vom Rock und der soul-selige Blues sorgt für die nötige Herzensbewegung. Doch dabei bleibt es nicht. In eifriger Kommunikation tauschen sich die Gäste dieser sonderbaren Gesellschaft aus, zitieren sich gegenseitig, auch falsch, lästern und streiten um das Wort und die Gunst der ZuschauerInnen. Heitere Kompositionen, nicht ohne Selbstironie, bieten die vier Berliner Musiker Holm Birkholz (Violine 1, Komposition), Willi Rosenthal (Violine 2, Mandoline), Heinz Ortleb (Viola) und Thomas Rößeler (Cello), hauptberuflich Mitglieder des Berliner Philharmonischen Orchesters beziehungsweise des hiesigen Radio-Sinfonie-Orchesters. Seit 1985 besteht das Quartett, das den Geigen den Blues beigebracht hat und am Rande das Selbstinszenierungsgehabe einiger Künstler, hier durch ein nicht enden wollendes Viola-Solo hintersinnig dargestellt, ins Rampenlicht rückt.
Hauptsächlich jedoch jonglieren sie, wie auch Paul Hindemith, dessen MINIMAX (1923) sie als Leitmotiv vornewegstellen, mit Zitaten aus der „großen“ klassischen Musik, immer einen Ton daneben, zuviel oder zu schnell. Je weiter sie sich von der „Kleinen Nachtmusik“ entfernen, desto deutlicher aber, und das ist das Spannende daran, wird Mozarts diebische Freude, die er offensichtlich an dem Stück hatte. Die musikalische Antwort der Harmoniker auf die Originale ist – wie bei Hindemith auch – ironisch, spöttisch, albern oder geradezu frech. Bei den Harmonikern klingt's nach Western, Zillertal und auch ein bißchen nach Memphis und New Orleans.
Was aber diesen Abend mit Sicherheit einmalig machte (das sei auch den Musikern zu wünschen), war der nur äußerst selten eintretende Umstand, daß die Saitenhalterung der zweiten Geige, mit der alle vier Saiten an der Zarge befestigt sind, mitten in der Darbietung brach. Sie ließ sich zwar in der Pause reparieren, doch ein Stück, ein Quartettsatz für Streicher (nach Schubert), mußte Willi Rosenthal nun mit unglaublicher Fingerfertigkeit auf einer Mandoline spielen. Ich saß, staunte und seufzte. Das restliche Publikum tat es mir gleich. Applaus! Petra Brändle
„ReciTales – Berliner Harmoniker“ bis 16. Januar, täglich außer Dienstag um 20.30 Uhr im BKA, Mehringdamm.
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