: Bauministerin schwaetzt zuviel
■ SPD verlangt Schwaetzers Rücktritt wegen Artikel für Werbebroschüre/ Lambsdorff solidarisch
Berlin (taz) – Der unermüdliche Einsatz von Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer für Wohnungsbau und Mieterrechte ist am Wochenende ins Gerede gekommen. Böse Zungen aus der SPD fordern gar den Rücktritt der Freidemokratin nach dem Muster ihres Ex-Kollegen Jürgen Möllemann. Grund für die Aufregung ist ein Artikel der Ministerin in einer Broschüre der Immobilienfirma Germania: „Renditeerwartungen und Weiterentwicklung sind vielversprechend, die Ertragsaussichten für Investoren und Anleger sind positiv“, schrieb Schwaetzer über den Immobilienmarkt. Und weiter: „Um so mehr ist hier eine seriöse Beratungstätigkeit im Interesse der Kunden gefragt, die solide Marktkenntnisse mit profundem Anlage-Know-how verbindet und dem Vertrauen der Kunden gerecht wird. Die Germania kann hierbei vor dem Hintergrund ihrer langjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Wohnungs- und Gewerbeimmobilien wertvolle Dienste leisten.“ Wie wertvoll die Dienste von Germania sind, wissen beispielsweise die BewohnerInnen eines Berliner Mietshauses, bei der die Immobilienfirma vermittelt: Dort stehen mehrere Wohnungen seit Jahren leer.
Schwaetzer lehnte einen Rücktritt ab und sagte, sie habe nur pflichtgemäß zu Investitionen in den Wohnungsbau ermutigen wollen. Zwar könnte man ihren Beitrag von Ende vergangenen Jahres als Werbung verstehen, „es ist aber nicht so gemeint gewesen“. Die Ministerin meinte, sie habe zuvor die Seriosität des Unternehmens überprüfen lassen. „Solch ein Forum zu nutzen, gehört zu den üblichen Tätigkeiten eines Ministers“, meint Schwaetzer, womit sie auch recht haben dürfte. Eingedenk Möllemanns Vetter erklärte der Germania-Aufsichtsratsvorsitzende Helmut K. Werner, daß es keine persönlichen oder verwandtschaftlichen Beziehungen zu der Ministerin oder ihrer Familie gebe. Für den Artikel seien keine Zahlungen geleistet worden oder Spenden an die FDP geflossen, sagte Werner.
Scharfe Kritik an Schwaetzer kam nicht nur von der SPD-Opposition, sondern auch aus der Union. So meinte der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des Bundestages, Friedhelm Ost (CDU), Frau Schwaetzer schade mit solchen PR-Artikeln ihrer Glaubwürdigkeit. „Ein Regierungsmitglied darf so etwas nicht tun“, erklärte er. Heiner Geißler kritisierte, die FDP mache sich oft zum verlängerten Arm von Unternehmerinteressen. CSU- Generalsekretär Erwin Huber erklärte die Schwaetzer-Werbung für „untragbar“.
Der SPD-Sozialexperte Rudolf Dreßler sprach unter Hinweis auf Möllemann von der „zweiten skandalösen Mauschelei eines Ministers mit der Privatwirtschaft“ und forderte Neuwahlen. „Typisch FDP. Diese Partei hat das Regieren so sehr verinnerlicht, daß sie sich schon als Teil des Staates fühlt und dabei jede Moral und jeden politischen Anstand verloren hat“, sprach Anke Fuchs (SPD).
FDP-Chef Lambsdorff nahm Schwaetzer – anders als Möllemann – eindeutig in Schutz. Ihr Beitrag für die Broschüre einer Immobilienfirma habe das Ansehen der FDP sicher nicht gemehrt. Aber Forderungen nach Schwaetzers Rücktritt seien absurd. Seite 4
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen