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Üben! Aber wie?

Das deutsche Frauen-Volleyball scheint nach dem Bremer Turnier auf dem Weg nach oben  ■ Von Jürgen Francke

Bremen (taz) – Als in der Bremer Stadthalle zur Siegerehrung des 14. Internationalen Frauen- Volleyballturniers das Licht ausging und auf den Rängen unzählige Wunderkerzen leuchteten, war es richtiggehend feierlich. Das kubanische Team, von einem Spotlight angestrahlt, winkte nach dem leichten 3:0-Sieg über die russischen Erzrivalinnen glücklich ins Publikum. Die knapp 3.000 BesucherInnen waren zufrieden. Sie hatten fünf Tage lang hervorragenden Sport gesehen, schließlich ging es diesmal auch um etwas. In diesem Jahr wurde nicht nur um den Traditionspokal gespielt, 1993 war das Turnier der Entscheidung: Wer darf als zweiter europäischer Vertreter Europameister Rußland zum Grand Prix nach Südostasien begleiten?

Die deutschen Volleyball- Frauen dürfen. Sie sind nach ihrem knappen 3:2 über Italien im Spiel um den dritten Platz nicht nur bestes Team hinter den übermächtigen Kubanerinnen und Russinnen geworden. Jetzt dürfen sie vom 25.Mai bis zum 20.Juni gegen die absolute Weltelite antreten. Nur acht Ländervertretungen sind beim bestdotierten Grand-Finale aller Zeiten (1 Million Dollar) zugelassen. Die deutsche Spielführerin Karin Steyaert war hochzufrieden. „Erstens müssen wir nun nicht ins Trainingslager, und zweitens bekommen wir viel Spielpraxis gegen die Weltklasse. Das motiviert ungemein.“ Aber sieht sie denn überhaupt Chancen im „Konzert der Großen“? „Das nicht gerade, aber unser Potential ist noch lange nicht erschöpft. Wenn wir so weitermachen, können wir noch eine Menge mehr leisten.“

Vielleicht. Das Bremer Turnier war ein Wendepunkt. Den Leistungszenit der deutschen Frauen kann Bundestrainer Siegfried Köhler bestimmt noch ein wenig höherschrauben. Doch der Weg dorthin wird höchst unterschiedlich gesehen. Köhler möchte an alte DDR-Zeiten anknüpfen. Wenn es nach ihm ginge, sollten die aktuellen Nationalspielerinnen (zwei Drittel spielten schon in der DDR-Auswahl) aus ihren Vereinen herausgelöst werden, um in einem Leistungsstützpunkt „konzentriert“ zu werden. „Die Weltspitze macht das auch so, wir müssen da mithalten“, so Köhler. Verbands-Boß Rolf Andresen sieht das gar nicht so. Ihm stehen die Vereinsvertreter auf den Füßen, die natürlich um das Niveau der Bundesliga ohne die Auswahlspielerinnen bangen. Er favorisiert die bisherige Regelung. Sieben Monate im Jahr hat der Verein Vorrang, fünf Monate darf der Verband die Sportlerinnen beanspruchen. Karin Steyaert hätte nichts gegen ein ständiges Nationalteam. „Aber dann müssen sich die Spielerinnen auch langfristig verpflichten. Da müssen Verträge her. Bisher gibt es doch nicht einmal ein diskussionswürdiges Konzept. Entweder wir setzen auf Kontinuität, oder wir lassen das Ganze.“ Sie versteht aber auch die Vereinsseite. Mit ihren Stars gewinnen die Klubs an Reputation und haben im Europapokal bessere Chancen.

Bremen machte aber auch deutlich: Spielerisch hat sich im deutschen Team einiges verbessert. Auch wenn es gegen Kuba im Halbfinale eine im wahrsten Sinne des Wortes niederschmetternde Niederlage hagelte, waren gegen Italien und die Niederlande die Aufwärtstendenzen nicht zu übersehen. Susanne Lahme als Hauptangreiferin läßt für die Zukunft hoffen. Sie wuchs in vielen Situationen über sich hinaus. Ulrike Schmidt auf der Mittelblock-Position glänzte mit ihrer Schnelligkeit, während Zuspielerin Ines Pianka das „Denkmal“ Renate Riek vergessen machte. In Annnahme und Aufschlag zeigten sich weitere Pluspunkte für die Zukunft. Jetzt müssen die Leistungen auf längere Zeit gehalten werden.

Gravierende neue Erkenntnisse aus der Leistungsspitze brachte Bremen nicht. Das Frauen-Spiel nähert sich weiter athletischen Männer-Standards. Rückraum- Angriffe werden allerdings nur sporadisch angewandt. Hier waren es die körperlich überlegenen Kubanerinnen und Russinnen, die Zeichen setzten. Aufschläge landen nun häufig im Laufweg der Stellerin, das macht den Spielaufbau schwieriger. Tatsache aber bleibt: Um die Sicherheit der beiden Spitzenteams Kuba und Rußland zu erreichen, muß der Rest der Welt noch viel üben. Fragt sich nur wie.

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