: Von der Kommunalpolitik zur Naturmedizin
■ GALier Michael Matthiesen legt Mandat in der Bezirksversammlung Harburg nieder und bleibt aktiv für HIV-Psitive
legt Mandat in der Bezirksversammlung Harburg nieder und bleibt aktiv für HIV-Positive
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2Ein ebenso wichtiger wie umstrittener Kopf verläßt die GAL-Fraktion der Harburger Bezirksversammlung: Michael Matthiesen, Gründungsmitglied der Grünen und Abgeordneter in Harburg seit Juli 1991, hat gestern sein Mandat niedergelegt. Nachrücker in der Bezirksversammlung ist Thomas Sommer. „Dieser Schritt hat rein persönliche Gründe“, erklärte Matthiesen, der sich künftig stärker in der anthroposophischen Aids-Initiative AMFORTAS engagieren will. Dort hat er bereits 1990 die Bundesgeschäftsführung übernommen. Matthiesen selbst ist seit acht Jahren HIV-positiv.
Sein Zustand, so der 29jährige, lasse es nicht zu, daß er weiter gleichzeitig auf dem Gebiet der Kommunal- wie der Aids-Politik arbeite. Auch haben sich seine persönlichen Interessen verlagert: Er möchte sich verstärkt um den Aufbau eines Aids-Behandlungszentrums auf naturmedizinischer Grundlage in Hamburg kümmern. Außerdem bleibt Matthiesen in der Aids-Arbeitsgruppe der GAL-Bürgerschaftsfraktion aktiv.
1979 trat er den Grünen bei und mußte sich „ein Jahr älter machen, weil ich noch keine 16 war“. Wenig später wechselte der gelernte Florist und Friseur, zeitweise selbst Mittelpunkt hitziger Debatten in der GAL, für einige Jahre zur ÖDP. Obwohl er im ÖDP-Bundesvorstand mitwirkte, wollte er sich mit dem „biologistischen Ansatz“ des Vorsitzenden Gruhl nie anfreunden. Über das Grüne Forum fand er 1991 wieder den Weg zu den Grünen. Eine Kandidatur für die Bürgerschaft zog er zurück: Seine ÖDP-Vergangenheit stieß auf Mißtrauen, das im Vorwurf gipfelte, Matthiesen sei ein „stadtbekannter Nazi“. „In dieser Situation mußte ich einfach das Mandat in Harburg übernehmen, um das Gegenteil zu beweisen“, erinnert er sich.
Auch hielt er die Parlaments- und Parteiarbeit für eine unverzichtbare Erfahrung: „Viel zu wenig Positive organisieren sich in den Parteien“, kritisiert er. Die Nachricht von der Infizierung mit dem HIV-Virus sei häufig mit einem Verlust aller Perspektiven verbunden, auch der politischen. Matthiesen: „Die Vertretung unserer Interessen wird damit anderen überlassen.“
Die Parteiarbeit hat ihm viel abverlangt. An erster Stelle die Krankheit — soviel wurde akzeptiert; an zweiter Stelle aber mußte die Partei stehen. Eine Härteprobe — nicht nur, als ein „Parteifreund“ mit anonymen Briefen an die Lokalpresse Matthiesens Erkrankung publik machte. Grundsätzlich aber hat Matthiesen sich zuletzt bei der GAL „sehr wohl gefühlt“. Sein politisches Engagement der letzten Jahre bedauert er nicht: „Es ist wichtig, nach draußen zu gehen; nur wer sein Gesicht zeigt, kann Vorurteile abbauen.“ Uli Mendgen
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