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■ Neuer Trend: Japaner heiraten in AustralienHochzeit im Land der großen Beuteltiere

Sydney (dpa) – Die Braut Hitomi weint, Bräutigam Yoshihiro bewahrt mühsam die Fassung – eine nicht ungewöhnliche Szene bei einer japanischen Hochzeit. Allerdings findet die Zeremonie nicht im Familienkreise in Tokio statt, sondern in einer kleinen Kirche im australischen Sydney. Zeugen sind nur ein wild um sich knipsender und über Bänke und Kanzel springender Fotograf, ein Chauffeur sowie die Dolmetscherin, die noch heftiger gerührt ist als die Braut.

Die beiden japanischen Hochzeiter folgen einem stärker werdenden Trend: Allein im vergangenen Jahr schlossen rund 2.000 Paare aus dem Lande der aufgehenden Sonne den Bund fürs Leben auf dem Fünften Kontinent. Firmen wie Australian Weddings Blessings (Australischer Hochzeitssegen) bieten komplette Pakete an: Flug, Zeremonie, Kleidung, Blumen, Chauffeur, Dolmetscher und Hochzeitsreise, Fotos oder Videofilm inklusive. Trotzdem ist der Trip nach Australien viel billiger als eine traditionelle Hochzeit daheim in Japan, die umgerechnet einige zehntausend und oft mehr als 100.000 Mark verschlingen kann.

Die 140 Jahre alte Kirche St. Andrews im Sydneyer Stadtteil Balmain entspricht genau den romantischen Vorstellungen der Japaner. Es ist ein kleines, altes und gemütliches Gotteshaus, aus Sandsteinquadern erbaut und von einem schattigen Kirchhof umgeben. Und Pastor Lambert Carter wirkt wie der gütige Hirte aus dem Bilderbuch. Der 67jährige Geistliche der Kongregationalistischen Kirche, einer freikirchlich-evangelischen Glaubensrichtung, vor 33 Jahren aus England eingewandert, hat seit 1974 mehrere hundert japanische Paare getraut. Fast alle sind Schintoisten oder Buddhisten. Carter ist sich der Kritik aus der Kirche bewußt. Von einem „Ausverkauf des Glaubens“ ist die Rede. Er sieht das anders: „Ich lege den Samen in die Erde. Ob er aufgeht, wird die Zukunft zeigen.“ Als allerdings vor ein paar Jahren eine Hochzeitsfirma seine Kirche exklusiv zwei Tage pro Woche mieten wollte, machte er nicht mit. „In dieses Haus kann jeder kommen, zu jeder Zeit.“ Der Gottesmann, der neben Theologie auch Psychologie studiert hat, bereitet die Paare vor. Mit Hilfe der Dolmetscherin bekamen auch Hitomi und Yoshihiro ihre Unterweisung und sprachen – auf englisch – brav den Eheschwur nach. Nach der Generalprobe klappte es auch in der Kirche gut. Zum Ende der Zeremonie schenkte Carter der Braut eine rote Rose und nahm dem Bräutigam das Versprechen ab, diesen Brauch an jedem Hochzeitstag zu wiederholen. Stapelweise bekommt Carter Briefe von den Paaren, die er getraut hat, fast alle mit Einladungen. „Ich könnte mühelos ein Jahr in Japan verbringen, ohne für eine Übernachtung zu zahlen.“ Einige von ihm Getraute reisten sogar kurzentschlossen nach Australien, als ihre Ehe in Schwierigkeiten geriet, um sich von Carter Rat zu holen. Besonders glücklich aber machte ihn, daß ein von ihm getrautes Paar vor einigen Jahren zum christlichen Glauben übergetreten war. Alexander Hofmann

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