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"Poesie und Säure"

■ Der südafrikanische Autor Breyten Breytenbach las in Hamburg

las in Hamburg

Meheret, eine äthiopische Journalistin, lebt in Paris und ist schwanger von Mano, einem südafrikanischen, farbigen Schauspieler, der sich in seiner Haut buchstäblich nie wohlfühlt. Fast könnte er für einen Weißen durchgehen, und so wechselt er immer wieder — wie ein Chamäleon — die Hautfarbe. Meheret und Mano sind die Protagonisten in dem neuesten Roman des südafrikanischen Schriftstellers Breyten Breytenbach, Erinnerung an Schnee und Staub, den der Autor am Dienstagabend auf einer Lesung in der Evangelischen Akademie vorgestellt hat.

Die Sehnsucht nach Afrika ist das zentrale Thema, das sich durch den gesamten Roman zieht. In dessen erstem Teil schreibt Meheret Briefe an ihr ungeborenes Kind. Ihm teilt sie die Erinnerungen mit, die sie an ihre Familie, ihre Herkunft, ihr Land hat. Barnum schließlich, ein weißer Exilschriftsteller aus Südafrika, redigiert und korrigiert die Briefe — oder ist er vielleicht sogar selber ihr Autor?

Auch Breyten Breytenbach lebt in Paris im Exil, und auch er ist von burischer Abstammung und weiß. Wegen seines Engagements gegen das Südafrika der Apartheid war er von 1975 bis 1982 in südafrikanischen Gefängnissen inhaftiert. Aber, so betonte der Dreiundfünfzigjährige nach der Lesung im Gespräch mit dem Publikum, er sei natürlich trotz einiger Parallelen nicht Barnum und Barnum sei nicht er.

Die Personen im Roman leiden an Südafrika, sind auf der Suche nach Südafrika, gehen an Südafrika zugrunde. Und der Autor erfindet schreibend Realität, um sich schließlich nur wieder aus ihr herauszuretten. So ist Erinnerung an Schnee und Staub auch ein schriftstellerisches Experiment mit der Sprache, und keineswegs allein ein Exilroman.

Die südafrikanischen Erfahrungen, die seinen beiden anderen Romanen, Wahre Bekenntnisse eines Albino-Touristen und Augenblicke im Paradies, zugrundeliegen, sind ihm, so könnte man anmerken, in mehrfacher Hinsicht auch zur literarischen Erfahrung geworden: Schwarz und Weiß, die Anwesenheit eines Ortes und seine Abwesenheit, Tod und Geburt — diese Gegensatzpaare sprachlicher Apartheid sind bei Breytenbach, wie er selber sagt, nurmehr „die Facetten derselben Erfahrung“. So, wie auch die Figur der Ich-Erzählerin im ersten Romanteil, die schwangere Meheret, nicht eindeutig ist: Spricht eine Frau, oder spricht in Wahrheit ein Mann?

Ebensowenig eindeutig ist Breytenbachs Verhältnis zu der Sprache, in der er schreibt: Afrikaans. Sie ist ihm denn auch zugleich „Poesie und Säure“, als einerseits die Sprache der Unterdrücker und andererseits die Sprache seiner Kindheit. Dorothea Schüler

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