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"Frauen stören die Harmonie"

■ Neuköllner Frauenbeauftragte ließ Studie über die Chancen von Frauen in Führungspositionen erstellen: "Der neue Man(n)ager ist immer noch männlich

Neukölln. Deutsche Manager bestehen zu 96 Prozent aus Mannagern. Nur vier Prozent von ihnen sind Frauen. Warum eigentlich, da doch alle Welt von den „neuen emotionalen und sozialen Fähigkeiten“ faselt, die die Führungskräfte von heute bräuchten? Da es doch viel moderner und ökonomischer ist, einen unproduktiven liebes- oder aknekranken Mitarbeiter in den Stand der Produktivität zurückzureden, anstatt ihm die Kündigung um die Ohren zu hauen. Die Neuköllner Frauenbeauftragte Renate Bremmert-Hein wollte Genaueres über die Aufstiegschancen weiblicher Menschen in das Reich der Männerbünde wissen und gab bei der Sozialwissenschaftlerin Helga Manthey eine empirische Untersuchung in Auftrag. Titel der 127 Seiten starken Studie: „Der neue Man(n)ager – Effizienz und Menschlichkeit“. Ihr Inhalt: Man bleibt Mann, gerade auch in diesem Beruf. Anscheinend rennen die Männer lieber in anstrengende Psychotrainings und versuchen sich diese „neuen sozialen Fähigkeiten“ selber anzueignen, als ihre Stühle für Frauen freizuräumen.

Insgesamt 34 Man(n)ager, Unternehmens- und PersonalberaterInnen, TrainerInnen für Führungskräfte und Männerforscher hat die Autorin in sogenannten qualitativen Einzel- und Gruppen- Interviews zu diesem Thema befragt. Die Führungskräfte entstammten 14 Unternehmen mit Neuköllner Sitz, darunter so große wie die Berliner Kindl Brauerei, die Melitta Papierfabrik oder die Philip Morris GmbH. Ein knappes Viertel dieser Betriebe beschäftigt überhaupt keine weiblichen Manager, knapp drei Viertel haben ein bis sechs Frauen in Führungspositionen zu bieten. Ein einziger glänzt dagegen mit 91 weiblichen Chefs und Unterchefs. Besonders kurios anmutender Trend: Je größer der Frauenanteil bei den Beschäftigten einer Firma ist, desto kleiner ist er an ihrer Spitze. Haben „Frauenbetriebe“ deshalb soviel Angst vor weiblicher Führung, weil die Entwertung einer Arbeit mit dem Grad ihrer „Weiblichkeit“ steigt?

Diese Entwertung trifft jedenfalls auch die „weiblichen“ sozialen Fähigkeiten im Vergleich zu „männlichen“ fachlichen Qualifikationen in den Führungsetagen. „Über menschliche Kompetenzen zu verfügen, forderte den Verdacht heraus, daß es an fachlichen mangele“, klagten einige Frauen unter den befragten Führungskräften gegenüber der Autorin. Umgekehrtes aber scheint den Männern nie zu widerfahren, im Gegenteil: „Es ist völlig schnuppe, ob das ein Schweinehund ist. Der kann saufen, der kann spielen, der kann seine Frau vertrimmen, das interessiert überhaupt nicht. Der Mann bringt für das Unternehmen gute Sachen raus, und dann ist das unser Mann. Und wenn er das nicht mehr bringt, dann kann er gehen. Es ist furchtbar, aber es ist so.“

Ein ähnlich kritisches Bild von den Mannagern zeichneten UnternehmensberaterInnen und TrainerInnen: Die Arbeit dieser Männer sei „ihr einziger Lebensinhalt“, und entsprechend „geistig arm“ und „kulturlos“ sei das von ihnen erzeugte Klima. Die überzogen hohe Arbeitszeitbelastung sei „ein Mythos“, suggeriere „Status und Unersetzbarkeit“. Arbeit und Freizeit würden sehr stark vermischt, wobei den Führungskräften wohl selbst nicht mehr klar sei, „ob sie nun Golf spielten, weil sie Spaß daran hätten oder weil es geschäftlich nützlich sei“. Solche rund um die Uhr beschäftigten Männer seien dann aufs äußerste irritiert, wenn man ihnen in Trainingsseminaren 20minütige Sitzmeditationen abverlange. Viele wichen in Leistung statt Entspannung aus: „Sie erzählen mir dann, sie gehen lieber zum Joggen, da haben sie mehr davon.“ Oder sie zeigten einen geradezu „gewalttätigen Umgang mit dem Körper“: „Ich finde es wahnsinnig, mit welcher Regelmäßigkeit sie krampfhaft versuchen, darüber (über die eigene Körpergrenze) hinauszukommen, und das tut nur weh.“ Der Zugang zu Körpergefühlen sei „durch Leistung versperrt“: „Ich versuche eigentlich permanent, denen das Visier hochzuziehen, und die wollen es immer wieder runterschubsen.“

Warum aber rennen die Männer überhaupt in solche Seminare? Weil eine Führungskraft von heute ein wandelndes menschliches Vorbild sein soll? Der Verdacht liegt nahe, daß sie sich neue soziale Qualifikationen aneignen wollen, um gegen mögliche weibliche Konkurrenz gewappnet zu sein. Oder gegen die störende Anwesenheit von Frauen in ihren Männerbünden. Denn dadurch, so formulierte einer der Mannager, „geht alles an Harmonie flöten, und es kommt eine Unruhe in die Mannschaft rein, und es entsteht das typische Gockelgehabe der Männer, dieses Aufplustern und Krähen, wer am schönsten und am lautesten ist“.

Eine gesellschaftliche Änderung im Sinne einer Chancenverbesserung für die Frauen aufgrund ihrer besonderen Fähigkeiten sei also nicht in Sicht, resümiert die Autorin am Ende: „Soweit Männer eine Modernisierung vollziehen, zu ihren ,weichen Anteilen‘ nicht nur stehen können, sondern müssen, findet dieser Prozeß nicht unter dem Gesichtspunkt einer Veränderung ihrer Beziehung zu Frauen statt. Ein Abbau der Geschlechterhierarchie steht nicht zur Diskussion.“ Das wiederum führt dazu, daß die geringe Anzahl weiblicher Führungskräfte in den Unternehmen als „Problem der Frauen“ angesehen wird. Dafür spreche auch die geringe Bereitschaft zur Frauenförderung bei den Betrieben. Diese, so glaubt die Autorin, sei „bestenfalls der Imagepflege geschuldet“. Ein ähnlich skeptisches Fazit zieht die Auftraggeberin der Studie gegenüber der taz: „Auch in den nächsten zehn Jahren“, da ist sie sich sicher, „wird es kaum weibliche Führungskräfte geben.“ Ute Scheub

Die sehr wissenschaftlich und unübersichtlich gehaltene Studie ist im Bezirksamt Neukölln erhältlich und kostet 18 Mark.

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