: Autoabgase pusten Schülerlotsen weg
■ Bei zu hoher Abgasbelastung sollen Erwachsene die Schüler ersetzen/ Senatsschulverwaltung beginnt Plakatkampagne
Berlin. Jeden Morgen sind in Berlin etwa 2.300 Knirpse auf den Beinen, die ihren Mitschülern zum Teil an stark befahrenen Straßen einen sicheren Schulweg ermöglichen sollen. Der Preis der Sicherheit: Die Schülerlotsen atmen besonders intensiv Autoabgase ein. „Um die Gesundheit der Kinder zu schützen, muß sich von diesem pädagogischen Konzept der Schulwegsicherung getrennt werden“, fordert deshalb Helga Heidbüschel, Beauftragte der Ärztekammer für Umwelt und Gesundheit. Das Konzept der Schülerlotsen sei 40 Jahre alt, die Zahl der Autos habe sich seitdem verzehnfacht.
Die Lotsen – sie dürfen die Kelle schwingen, sobald sie das 13. Lebensjahr erreicht haben – seien stärker gefährdet als Erwachsene, so die Beauftragte der Ärztekammer, denn auf Grund ihrer Größe atmeten sie die bodennahen Schadstoffe aus dem Auspuff konzentriert ein. Untersuchungen in Nordrhein-Westfalen hätten ergeben, daß das Blut von Kindern, die an stark befahrenen Straßen wohnen, erheblich mit dem Leukämie auslösenden Benzol belastet sei. Heidbüschel fordert deshalb, daß Erwachsene die Lotsen ersetzen.
Das passiert jetzt. Eine „Aktionsgemeinschaft Verkehrssicherheit“, die von der Senatsschulverwaltung koordiniert wird, hat bereits 5.000 Plakate drucken lassen, die demnächst in Schulen und Bezirksämtern hängen werden. Mit der Kampagne sollen verstärkt Erwachsene als „Schulweghelfer“ geworben werden.
Allerdings soll der Schülerlotse nicht abgeschafft werden, betont Ingeborg Jancke, Koordinatorin der Arbeitsgemeinschaft und bei der Schulverwaltung für Verkehrserziehung zuständig. Die Erwachsenen sollten nur dann den Schulweg sichern, wenn der Verkehr zu starke gesundheitliche Belastungen verursacht oder zu unübersichtlichen Situationen führt, mit denen Schüler überfordert seien. Über den Einsatz von Schülern oder Erwachsenen entscheide die jeweilige Schulkonferenz in Absprache mit der Polizei, die Lotsen wie Verkehrshelfer ausbilde.
Die jährlichen Kosten für die bundesweit 60.000 Schülerlotsen (Träger ist die Deutsche Verkehrswacht) übernimmt mit 100.000 Mark das Bundesministerium für Verkehr und mit einer halben Million Mark der Verband der Automobilindustrie. Der Verband verteidigt die Einrichtung der Schülerlotsen. Sprecher Winfried Grzenia sagte gestern der taz: „In den ganzen 40 Jahren seines Bestehens hat es an keinem einzigen von Schülerlotsen geregelten Schulweg einen tödlichen Unfall gegeben.“ Im Interesse der Gesundheit der Kinder dürfe aber die Gefahr durch Autoabgase nicht außer acht gelassen werden. Dirk Wildt
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