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Wenn der Sportplatz zum Schlachtfeld wird

■ Der Rassismus beim Fußball trifft mittlerweile nicht nur die oberen Spielklassen, sondern auch Jugendmannschaften/ „Integration im Sport“ hat auch politische Grenzen

Berlin. Wenn die Spieler und Betreuer von „Türkiyemspor“ in den Osten müssen, gleicht das nicht selten einer Fahrt ins Feindesland. Besonders ungute Erinnerungen hat der türkische Fußballverein aus Kreuzberg an die Auftritte beim Oberliga-Kontrahenten „Energie Cottbus“. Da mußte der sportliche Leiter Beklan Coskun mit ansehen, wie seine Spieler beim Gang in die Kabine bespuckt und angepöbelt wurden.

Über den Haß, der ihm entgegenschlug, ist der 30jährige noch heute „tief bestürzt“. Selbst Funktionäre des Cottbusser Vereins ließen ihrem Rassismus freien Lauf. „Stinkender Türke“ war noch die harmloseste aller Beleidigungen, an die sich Coskun erinnert. Die Lust der Fans, ihre Mannschaft zu begleiten, hat inzwischen stark nachgelassen. „Vor zwei Jahren haben wir bei Fahrten nach Cottbus noch vier Busse vollbekommen, letztes Jahr waren es mit Mühe und Not gerade mal drei“, berichtet er.

Das Klima ist – insbesondere unter den Fußballvereinen – rauher geworden. Nicht nur in den oberen Spielklassen, sondern auch in den Jugendmannschaften. Hüsnü Saglik, 34jähriger Jugendleiter bei Türkiyemspor, weiß von den Sorgen der Eltern zu erzählen: „Wenn wir in Lichtenberg, Pankow oder Friedrichsfelde spielen, schicken schon viele ihre Kinder nicht mehr mit.“ Zweimal seien im letzten Jahr schon Spiele im Osten abgesagt worden, erklärt Saglik. Bei einigen Jugendlichen drückt die aggressive Stimmung der Umgebung schon auf die Psyche: „Sie konzentrieren sich nicht mehr auf das Spiel und warten nur noch auf den Schlußpfiff.“

Nicht immer muß die Gewalt im Sport rassistische Ursprünge haben. Für eine „differenzierte Betrachtung“ des Themas plädiert Nicolaus Tautrims, Rechtsvertreter mehrerer türkischer Vereine. Vor allem die türkischen Medien, so vermutet er, drängten „ihre Landsleute in die Opferrolle“. Bei manchen Spielen, so seine Beobachtung, „legen die Fans jede Fehlentscheidung eines deutschen Schiedsrichters gleich als Rassismus aus“. Dabei entstehen Handgreiflichkeiten nicht selten auch untereinander: so endete eine als „Freundschaftsspiel“ angekündigte Begegnung zwischen der A- Jugend von „Umutspor“ und „Eintracht Südring“ jüngst in einer Schlägerei. Der Streit entzündete sich, weil ein türkischer Fußballer von Eintracht seinen Gegner von Umutspor beleidigt hatte – woraufhin sich auch noch dessen zwei Brüder einschalteten. Die tätlichen Angriffe, bei denen auch eine Gaspistole gezückt wurde, nahmen auch nach dem Spiel kein Ende, als Umut-Spieler den Mannschaftsbus von Eintracht malträtierten. Beim Landessportbund (LSB) werden solche Fälle als Ausnahme eingestuft. Insgesamt könne man nicht von einer Zunahme der Gewalt auf und außerhalb des Sportfeldes sprechen, meint LSB-Sprecher Dietmar Bothe. Ein wenig mehr Sorge macht dem Verband da schon die Integration der Ausländer. Überlegungen türkischer Vereine aus den achtziger Jahren, eine eigene Fußballliga zu gründen, gehören zwar schon lange der Vergangenheit an. „Bedauerlich“ findet Bothe allerdings, daß die ausschließlich von Ausländern besuchten Vereine „immer mehr Öffentlichkeit in den Medien erhalten als diejenigen, in denen viele Nationalitäten zusammenkommen“. Solange die ausländischen Bürger jedoch unter sich blieben, bestehe die „Gefahr einer Ghettoisierung“. Auch in sportlicher Hinsicht. Denn die zumeist sehr kleinen türkischen Vereine – Türkiyemspor hat nach Angaben des LSB nur 250 Mitglieder – bieten außer Fußball zumeist nur Ringen oder Boxen an. „In den Großvereinen besteht viel eher die Möglichkeit, in diverse Sportarten hineinzuschnuppern“, meint LSB-Sprecher Bothe. Die Isolation über Sport aufzubrechen – ein Ziel, das unter ausländischen Bürgern überwiegend für Männer gilt. Von den 15.030 Ausländern, die das Statistische Landesamt in Sportvereinen gezählt hat, sind fast 87 Prozent Männer. Das schöne Schlagwort von der „Integration durch Sport“ hat jedoch nicht nur kulturelle, sondern auch politische Grenzen. Im Ringen – neben Fußball die beliebteste Sportart in der Türkei – können Sportler nur an der Deutschen Meisterschaft teilnehmen, sofern sie die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Abdurrachman Cay, Vorsitzender und Trainer des „Türkischen Ringervereins“: „Unsere Kinder sind hier geboren, gehen hier zur Schule und treiben hier Sport – aber ohne den deutschen Paß kann sich manches Talent gar nicht erst entwickeln.“ Severin Weiland

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