: Anarcho-liberale Faxe
■ Eine Tageszeitung aus der Telefonleitung: "Media Fax" in Mosambik
Maputo (taz) – „Caso Sucata“, das Schlagwort zum Skandal um den Militärschrott, kennt in Mosambiks Hauptstadt inzwischen jeder. Die Generäle des Landes hatten vor Monaten mit dem südafrikanischen Konsortium Devsa/Rovimpex einen Vertrag über die Verwertung von Mosambiks Militärschrott vereinbart – unter anderem auch zu ihrem privaten Nutzen, wie sich mittlerweile herausstellte. Die Affäre führte in Südafrika zur richterlichen Beschlagnahme eines Bankkontos der mosambikanischen Regierungspartei Frelimo. Ausgegraben wurde die Affäre von Media Fax, einem wohl einmaligen täglichen Zwitter zwischen Nachrichtendienst und Tageszeitung.
In einem Land, in dem Rundfunk, Fernsehen und Zeitungen trotz aller Reformen immer noch von der Regierung kontrolliert werden, ist Media Fax das einzige unabhängige Medium Mosambiks. Nacht für Nacht verschickt die Redaktion per Telefax ihre maximal vierseitige Zeitung an inzwischen über 400 Abonnenten und umgeht so ein großes Problem: Media Fax braucht kein Zeitungspapier und ist deshalb nicht auf das Regierungswohlwollen angewiesen.
Die Journalisten-Kooperative schreckt weder vor Nachforschungen in den höchsten Sphären des afrikanischen Staats zurück und macht auch vor den eigenen Inserenten nicht halt. Denn Rovimpex, die Maputo-Niederlassung des in den Skandal verwickelten südafrikanischen Konsortiums, schaltet eine monatliche Anzeige im Wert von 500 Dollar auf der Titelseite von Media Fax. Die technologische Revolution auf dem Medienmarkt stößt bei Informationsminister Rafael Maguni nicht unbedingt auf helle Freude. In Gesprächen bezeichnete er die Media Fax-Journalisten als „Anarcho-Liberale“ – in einem Staat mit marxistisch-leninistischem Hintergrund immer noch ein massives Schimpfwort.
Der Ärger des Ministers ist angesichts einer unbestrittenen gewissen Schlitzohrigkeit der Journalisten bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehbar. Denn ihren Lebensunterhalt verdienen fast alle Mitarbeiter von Media Fax im Hauptberuf bei den staatlichen Medien. Salamyo Moyana aus der Direktion der Kooperative, im Hauptberuf Redakteur der Sonntagszeitung Domingo: „Wir brauchen unseren Lohn, um leben zu können.“ Moyana, der einst wissenschaftlichen Marxismus auf Kuba lehrte, gibt zu, daß die Konstruktion auch von der Toleranz der Regierung lebt: „Der Informationsminister stellte uns bisher nicht vor die Wahl – staatliche Medien oder Media Fax.“
Geboren wurde der Zwitter als Verlegensheitslösung im Mai 1992. Denn der eigentliche Wunschtraum, eine Wochenzeitung zu gründen, war nicht so schnell wie erhofft zu verwirklichen. „Wir gründeten Media Fax, um interessierten Financiers zu beweisen, daß wir guten und unabhängigen Journalismus betreiben,“ erklärt Salamao Moyana und fügt hinzu: „Der Erfolg war fantastisch, er übertraf alle unsere Erwartungen.“ In einem Land mit einem monatlichen Durchschnittslohn von 20 Dollar ist der Bezugspreis von 50 Dollar nicht gerade billig.
Aber die Verlegenheitslösung, eigentlich bis Januar diesen Jahres begrenzt, wurde trotzdem zum Selbstläufer. Moyana: „Wir kriegen Abonnements, die bis zu einem Jahr im voraus bezahlt werden.“ Bezieher sind nicht nur Botschaften, Vereinte Nationen und ausländische Hilfsorganisationen – auch Renamo, die rechtsgerichtete Rebellenbewegung des Landes, die seit einigen Wochen ein Büro in Maputo unterhält, abonnierte Media Fax. Willi Germund
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