: „Wir wollen Brücken bauen, nicht einreißen“
■ Hans-Jürgen Fischbeck, Bündnis-90-Sprecher (NRW), zur Fusion mit den Grünen
taz: Herr Fischbeck, der parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsgruppe von Bündnis 90, Werner Schulz, hat erklärt, ihre Brandenburger Parteifreunde seien nach der Ablehnung des Assoziationsvertrages für das Bündnis 90 insgesamt „verloren“.
Hans-Jürgen Fischbeck: Das sehe ich ganz und gar nicht so. Solche Äußerungen halte ich für sehr bedenklich, denn hier wird eine Gemeinsamkeit aufgekündigt, die tatsächlich fortbesteht, weil sich unsere gemeinsame inhaltliche Basis nicht verändert hat. Der Landesverband von Bündnis 90 in Brandenburg kann für sich genauso eine besondere Rolle in Anspruch nehmen wie es der sächsische Landesverband Bündnis 90/Grüne getan hat. Unser Landesverband in NRW möchte nicht, daß deshalb das Tischtuch zerschnitten wird. Wir wollen Brücken bauen, nicht einreißen.
Für den Bundessprecherrat von Bündnis 90 sind die Brandenburger auf dem „Weg zu einer ökologisch-liberalen Regionalpartei des Brandenburger Mittelstandes“. Solche Töne waren bei Bündnis 90 bisher eher verpönt.
In solchen Formulierungen sehe ich Anzeichen, daß der Sprecherrat sich an die unsägliche politische Streitkultur bei den Grünen anzupassen beginnt. Mit solchem Gerede werden die Brandenburger unter Verwendung von Begriffen aus der linken Mottenkiste absichtsvoll ideologisch falsch etikettiert. Es ist zwar richtig, daß sich das Bündnis 90 auch den Handwerkern und mittelständischen Betrieben gegenüber verpflichtet fühlt, aber das hat mit der Lobbypolitik einer Mittelstandspartei nichts zu tun. Das geht auf die ursprüngliche Willensbildung der DDR-Opposition zurück, die – namentlich Demokratie Jetzt – immer gefordert hat, das zentralisierte Volksvermögen zu dezentralisieren und allen Bürgern zu überschreiben. Es geht uns darum, über breit gestreutes produktives Eigentum die ökonomische Selbstbestimmung der Menschen zu erleichtern. Dies ist ein durchaus antikapitalistischer Ansatz.
Viele der rund 200 Mitglieder des nordrhein-westfälischen Bündnis-90-Landesverbandes waren früher bei den Grünen. Sie sind ausgetreten, weil ihnen die Grünen in NRW zu „links-borniert“ erschienen. Wollen sie in NRW dennoch jetzt die Fusion?
Eine definitive Mitgliederentscheidung gibt es noch nicht. Der NRW-Sprecherrat hat aber dem Fusionsvertrag unter Vorbehalt zugestimmt. Der Vorbehalt besteht darin, daß wir erkennen möchten, daß die Grünen – trotz der großen Unterschiede bei der Mitgliederzahl – uns als Partner in NRW akzeptieren. Wir werden nicht den Grünen auf Orts- und Kreisebene beitreten, denn das hieße, das Bündnis 90 völlig abzuwickeln. Wir brauchen in NRW die Zusicherung der innerorganisatorischen Unabhängigkeit, die auf Bundesebene im Fusionsvertrag zugestanden wurde. Wir wollen einen Assoziationsvertrag, der uns als Partner behandelt und weiterexistieren läßt. Wenn wir diese Aussicht nicht haben, können auch wir dieser Fusion nicht zustimmen. In NRW spielen die beiden Verbände bei der Fusion eine gewisse Schlüsselrolle, denn hier treffen die unterschiedlichen Pole hart aufeinander. Bisher gibt es von Seiten des grünen Landesverbandes keine Signale für ein neues politisches Selbstverständnis, für eine neue Partnerschaft. Interview: Walter Jakobs
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen