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Rechte Politiker wurden entblößt

■ Oberschüler diskutierten mit CDU, AL und „Republikanern“

Charlottenburg. Politiker lieben Floskeln und eingeübte Statements. Daß sie damit bei Jugendlichen nicht weit kommen, mußten Vertreter von CDU, AL und Reps am Donnerstag abend an der Erich-Hoepner-Oberschule in Charlottenburg feststellen. Dort hatten Schüler im Rahmen von zwei Projekttagen zur Podiumsdiskussion über Ausländerfeindlichkeit geladen. Unbeliebt machte sich von Anfang an Joachim Krüger, stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender in der BVV Wilmersdorf. Offenbar hatte er vergessen, daß er nicht im Bezirksparlament saß: Mit Erklärungen zur Lage in Ostdeutschland animierte er zum Gähnen – bis ein entnervter Schüler dazwischenfuhr: „Schwingen Sie hier keine Monologe – wir wollen reden.“ Krüger schmollte – und hielt sich für den Rest des Abends weitgehend zurück. Während sich die AL-Politikerin Rita Kantemir mit ihrer Kritik an der Asylrechtsdebatte im Applaus ausruhen konnte, nahmen die Schüler den Rep-Vertreter Günter Reich ins Kreuzverhör. Seine unverblümt offenen Äußerungen über „gehätschelte“ Asylbewerber, denen „das frischbezogene Bett sicher“ sei, seine Warnung, „eines Tages als Deutscher in diesem Land in der Ecke zu stehen“, quittierten die zumeist 14- bis 18jährigen mit Gelächter. Eine dunkelhaarige Schülerin, in Mexiko geboren und seit 13 Jahren in Deutschland, brachte Reich schließlich mit ihrer Frage, wo denn nun ihre Heimat sei, außer Fassung. Man solle das doch bitteschön nicht an „Einzelfällen aufziehen“, meinte das 55jährige Mitglied des Rep-Landesvorstandes. Doch die Schüler ließen nicht locker. Ein blondes Mädchen hakte nach: Ob ihre Schulkameradin zu jenen Menschen gehöre, vor „denen man Ihrer Meinung nach Angst haben muß“. Worauf Reich, von Berufs wegen Geschichtslehrer, zu einer deutschtümelnden Definition anhob: „Heimat ist, wo ich meinen Kopf in Ruhe betten kann und weiß: Ich bin unter meinesgleichen.“

Beeindruckt über die Reaktion der Oberschüler war der Jugendleiter an der Trinitatis-Gemeinde, Hubert Hacker, der von zwei türkischen Auszubildenden begleitet wurde. Die Gymnasiasten hätten ihm gezeigt, daß „ich mich um dieses Land nicht zu sorgen brauche“. Severin Weiland

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